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Zwän
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Registriert: 17. August 2024 20:51

Neu und aus NRW

Beitrag von Zwän »

Hallo zusammen!

Ich bin vor kurzem auf einen Artikel in einer Zeitschrift gestoßen, der ein Phänomen beschrieben hat, von dem ich zuvor noch nie gehört habe, ich mich aber dennoch in vielen Punkten wiedergefunden habe.

Jahrelang habe ich wirklich geglaubt, ich hätte ‚ne Meise‘, aber nachdem ich jetzt mal ein bisschen Recherche betrieben habe, scheint es ja doch einige Menschen zu geben, die das selbe Problem haben wie ich.

Angefangen hat es (wahrscheinlich), als ich mit 6 oder 7 - ich war gerade in der Grundschule - spätabends nochmal auf die Toilette musste. Mein Stiefvater war ohne Licht auf dem Klo, hatte aber nicht wie sonst die Tür abgeschlossen und ich wusste natürlich nicht, dass er dort war. Ich also nichtsahnend die Tür aufgemacht … und mich tierisch erschrocken; mein Stiefvater ebenfalls - und er war sehr unangenehm überrascht, hat mich direkt meckernd wieder rausgeworfen.

Ich vermute, seitdem ist in meinem Kopf der Toilettengang etwas peinliches, was niemand mitbekommen sollte. Ich bin auf dem Klo am liebsten ungestört und ein großes Geschäft bei Tiefspüler-WCs ist eine echte Herausforderung (ich habe vor einigen Jahren auch herausgefunden, dass ich unter Misophonie leide - ich mag es nicht, die Geräusche zu hören, die andere Menschen beim Essen und Trinken machen - wohlwissend, dass es sich bei mir genauso anhört - aber das schränkt meine Lebensqualität im Gegensatz zur Paruresis überhaupt nicht ein).

Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie ich Schule, Ausbildung und Studienzeit überstanden habe, ohne dass es jemand mitbekommen haben soll.

Mein ganzes Leben habe ich Vermeidungsstrategien angewendet, war nie in der Schule auf dem Klo, habe Ausflüge nicht mitgemacht, bin nicht ins Stadion, auf Festivals gegangen, habe immer noch Angst bei Restaurantbesuchen, wie die Toiletten aussehen könnten und wenn ich bei größeren Veranstaltungen oder mit vielen Freunden unterwegs bin, ist der Gedanke „wie machste dat nachher mit dem pinkeln?“ permanent im Vordergrund.

Meine größte Sorge war und ist es immer, mit Freunden unterwegs zu sein und den „falschen“ Moment für den Toilettengang zu wählen.

Pinkeln in der Kabine kriege ich (inzwischen) problemlos hin, aber wenn ein Bekannter dabei ist und ich geh in die Kabine, denke ich der denkt ich bin komisch, daher gilt es für mich, diese Situation zu vermeiden (ich sag dann auch schon mal, dass ich nur kurz Hände waschen gehe und nur wenn keiner mitkommt, geh ich noch pinkeln).

Schon bevor ich erfahren habe, dass das nicht pinkeln können eine Krankheit ist, war ich auf anonymen Sanifair-Toiletten oder im Baumarkt oder Ikea und habe versucht mich zu zwingen, am Urinal zu pinkeln - hab mich jedes Mal gefeiert, wenn es dann mal geklappt hat … und beim nächsten Mal, wenn ich dann doch wieder in alte Muster gefallen bin und bei Anwesenheit eines oder mehrerer Fremder direkt die Kabine angesteuert habe oder - wenn ich allein war - angstvoll die Kabinentüren gecheckt hab, ob auch ja keiner auf einer der Schüsseln sitzt, der da rausspringen könnte, war ich wieder enttäuscht und ich fühle mich dann wie ein Feigling. Obwohl ich genau weiß wie absurd diese Gedanken in Wirklichkeit sind.

Insgesamt ist es schon besser geworden, sofern Schamwände da sind und jemand fremdes sein Geschäft erledigt hat und im Begriff ist, die Örtlichkeit zu verlassen (Hände waschen etc. kann ich schon ab, weil ich weiß dass er ja gleich geht), kann ich laufen lassen. Und wenn es einmal läuft, kann inzwischen auch wer reinkommen.

Aber das ist ja kein Zustand. Ich möchte bitte an Veranstaltungen teilnehmen können, ohne dass ich mir vorher das Hirn zermartern muss, wie das mit dem Gang zum Klo gehen soll. Und wenn ich die eine oder andere Geschichte lese und der Wissenschaft glauben schenken kann, soll es mit Training ja auch möglich sein.

Ich habe mich direkt bei WeMingo angemeldet, stehe aber noch ganz am Anfang - hab aber schon gesehen, dass es eine Strategie gibt, bei der man mit einem Pee Buddy arbeitet … es wird möglicherweise noch eine Weile dauern, aber ich melde hier schon mal vorsorglich Interesse an … Ruhrgebiet und Düsseldorf wären praktisch.

Ich bin gewillt, das Problem zu bearbeiten und freue mich über den Austausch zu diesem Thema.

Sorry für den langen Text - aber ich habe während des Schreibens bemerkt, dass es mir hilft, das Problem greifbarer zu machen.

Viele Grüße
Sven
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