mit einem Freund üben ?

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GAST

mit einem Freund üben ?

Beitrag von GAST »

Vor einem halben Jahr habe ich meinem besten Freund von meinem Problem erzählt. Er war sehr daran interessiert möglichst viel darüber zu erfahren, wobei ich nie das Gefühl hatte, dass es "Sensationsgier" war, sondern ein wirkliches Informationsbedürfnis. Er geht locker damit um. Anfangs wollte er für mich mitdenken; z.B. nach einem Museumsbesuch keinen Stadtbummel mehr vorzuschlagen, weil ich vielleicht pinkeln müsste, aber nicht könnte, und er mir den Stress ersparen wollte, es auszusprechen. Aber wir haben das sehr offen geklärt und jetzt geht er davon aus, dass ICH mich schon melde. Wenn ich bei ihm zuhause bin, geht es manchmal (anfangs hat er sogar immer gefragt, was ich sehr lieb fand, mir es aber nicht leichter machte), aber wenn wir unterwegs sind, eigentlich nie, obwohl ich es z.B. nach dem Kino immer einmal versuche. Er hat nun in einem Gespräch eher beiläufig gefragt, ob er irgendwie mit mir trainieren sollte. Und hier beginnt die eigentliche Frage:
Einerseits könnte ich mir vorstellen, das Angebot anzunehmen, also gemeinsam zur Toilette zu gehen (was ich im Moment vermeide). Aber wie sollte dann das Üben aussehen ?
Andererseits sehe ich die Gefahr, dass ich mich unter Erfolgsdruck setze (zwar nicht beim ersten Mal, aber nach einer gewissen Zeit). So im Sinne von "jetzt geht er schon mit, jetzt muss es auch gehen". Rational gehe ich davon aus, dass er so nicht denkt, aber was bei mir dann in der Situation abläuft - ich weiß es nicht.
Hat jemand Erfahrungen mit Übungssequenzen mit guten Freunden ? Auch wenn er es selbst angeboten hat, überfordere ich ihn nicht damit ? Könnte es nicht sein, das er MEINE Misserfolge zu den seinen macht ("ich konnte nicht helfen, ich habe als Freund versagt") und vielleicht unsere Freundschaft darunter leidet ?
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Schäfchenzähler
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Registriert: 21. September 2004 16:00

Beitrag von Schäfchenzähler »

Hallo Gast,

wie das Üben genau aussehen soll, kann ich Dir auch nicht sagen, aber:
Auch wenn er es selbst angeboten hat, überfordere ich ihn nicht damit ? Könnte es nicht sein, das er MEINE Misserfolge zu den seinen macht ("ich konnte nicht helfen, ich habe als Freund versagt") und vielleicht unsere Freundschaft darunter leidet ?
Er ist dein Freund, er hat es dir angeboten! Also MÖCHTE er das für dich tun, wenn er überfordert wäre, hätte er dir das nicht angeboten. Das ist eine freundschaftliche Geste.

Und mit dem Rest: DU zerbrichst dir gerade seinen Kopf! Wieso sollte er denn Schuldgefühle kriegen. Natürlich kann sowas passieren. Ich weiß ja auch nicht, wie alt ihr seit. Aber mal im Ernst: Wenn man ehrlich miteinander sprechen kann, sollte das doch eigentlich nicht passieren? Ich meine, wenn ihr beide versucht ehrlich und offen darüber zu sprechen, und auch jeder einfach mal sagt, wovor er Angst hat bei dem Ganzen?

Liebe Grüße
R.
Ottow
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Wohnort: Düsseldorf

genau

Beitrag von Ottow »

Du, Gast: Das ist eine Geste tiefster Freundschaft. Da ist jemand, der dein Problem nicht hat, dir aber helfen will. Sicher hat er für sich auch eine Peinlichkeitsgrenze überschritten. Das ist doch noch einmal ein Zeichen, wie sehr er dich mag.
Ich könnte mir vorstellen, dass er es auch als Zeichen deines tiefen Vertrauens ansieht, wenn du sein Angebot annimmst. Denk dir doch einfach: Er weiß doch, wie dein Problem ist. Ob er nun direkt neben dir steht oder draußen wartet. Das ist doch entlastend. Er ist dein Freund, ob du nun in seiner Anwesenheit pinkelst oder nicht.
Ich kann mir vorstellen, dass es für dich eine Hilfe ist und ihm zeigt, wie sehr du ihm vertraust!!!
Halt dich ran,
Ottow.
Burkhard
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Beiträge: 99
Registriert: 26. April 2004 09:44

Wer A sagt, kann auch B sagen...

Beitrag von Burkhard »

Jetzt hast Du's ihm schon erzählt und er bietet Dir von sich aus an mit Dir zu Üben. Du willst Deine Angst überwinden, also nimm das Angebot an!

Wenn Du das Üben als ein ergebnisoffenes Experiment siehst mit dem Du Deine Ängste erforschen willst, können Dich unerwünschte Ergebnisse nicht beeindrucken. Deswegen ist es auch ganz gut gleich mit was Schwierigem anzufangen, wo Du Dir sicher gleich sagen würdest: Das kann ich nicht.

Wenn Du einen deutlichen Harndrang spürst, nimmst Du ihn mit auf's Klo (zu Hause). Er soll einfach nur da sein und von sich aus nichts sagen oder unternehmen ("helfen" wollen). Du versuchst zu pinkeln und achtest einmal genau auf Deine Gedanken. Wenn Gedanken kommen wie: "Wie peinlich...", "Was denkt der von mir..." oder "Scheiße, ich kann nicht pinkeln...", musst Du sie sofort stoppen und durch "Es ist alles ok - pinkeln ist ganz natürlich, jeder machts..." austauschen.

Wenn Du das einige male gedacht hast, kannst Du Dich doch etwas mit Deinem Freund unterhalten (besser nicht zum Thema pinkeln), also die Aufmerksamkeit auf Deinen Freund richten. Dabei etwaige negative Gedanken weiter "umbiegen".

Nach und nach wird Deine Angst weniger und Du kannst pinkeln. Es ist nur eine Frage der Zeit - Wirklich! Also, 15 Minuten solltest Du dafür MINDESTENS einplanen und das Pissen nicht mit Gewalt erzwingen wollen. Es muss quasi "von alleine" losgehen - Nicht pressen!

Wie das Experiment auch ausgeht, Du hast eine schwierige Situation durchgehalten und kannst stolz auf Dich sein. Das weitere Vorgehen hängt vom Ausgang des Experiments ab.

Ganz wichtig ist auf jeden Fall die positive Bilanzierung des Experiments! Menschen mit sozialen Phobien (z.B. Paruresis) neigen dazu jeden Erfolg zur Mücke zu machen und die kleinste Mücke zum Mega-Flop aufzubauschen. Das machst Du besser genau umgekehrt. Ignoriere das Negative einfach, es wird Dir niemals fehlen.

Besprich die Vorgehensweise mit Deinem Freund VOR der Übung und gönn ihm ruhig seine "Sensationsgier" - Er soll doch auch was davon haben...
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