Neuer medizinischer Experte auf Paruresis.de

Hier gibt es alles zum Thema psychische Entleerungsstörung
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johannes
Webmaster
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Neuer medizinischer Experte auf Paruresis.de

Beitrag von johannes »

Hallo liebe Community,

es gab hier ja schon lange einen Aufruf, in dem Mediziner und Therapeuten als Experten für fachliche Fragen gesucht wurden. Ich habe vorhin mit Alex Beisenherz gesprochen und er hat sich bereit erklärt diese Rolle vorerst zu übernehmen. Vielen Dank dafür! Ich glaube das ist eine sehr wertvolle Bereicherung für das Forum.

Alex Beisenherz ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und ärztlicher Psychotherapeut. Aktuell bereitet er eine Verhaltenstherapeutische Kurzintervention in der Gruppe speziell für Paruretiker vor (mehr dazu hier).

Was heißt das konkret für die Zukunft? Alex Beisenherz wird hier regelmäßig ins Forum schauen und Antworten in Themen mit medizinischen Fragen geben. Bitte berücksichtigt, dass er als Arzt niemanden über das Internet individuelle Handlungsempfehlungen geben kann und darf (seht daher bitte von solchen Anfragen in persönlichen Nachrichten ab).

Noch einmal vielen Dank für das Engagement, das Beantworten der ersten Fragen und herzlich willkommen im Forum! :)

Gruß,
Johannes
Alex Beisenherz
Medizinischer Experte
Beiträge: 66
Registriert: 9. März 2018 16:19
Wohnort: Mechernich/Eifel

Re: Neuer medizinischer Experte auf Paruresis.de

Beitrag von Alex Beisenherz »

Liebe Forumsteilnehmer, lieber Johannes,

Dir, Johannes, erst einmal vielen Dank für die nette Einführung. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und darauf dieses Forum in Rat und Tat zu unterstützen.

Das Krankheitsbild Paruresis führt ein erstaunliches Nischendasein. In der Uni taucht die Krankheit weder bei Medizinern noch bei Psychologen auf dem Curriculum auf. Und dies obwohl statistischen Erhebungen Prävalenzraten (Häufigkeiten) von 4-7% in der Bevölkerung ermittelt haben! Die Scham der Betroffenen, über die Problematik zu sprechen, sich zu "outen", führt zu einer weiteren Zementierung und Abschottung diese Zustandes. Daher bin ich sehr froh, dass es dieses Forum gibt. Betroffene können hier anonym auftauchen und berichten häufig erstmalig von ihrem Leidensweg. Hier fängt die (Selbst-)Therapie schon an. Man bekommt Verständnis entgegengebracht und fühlt sich nicht mehr so alleine. Viele Teilnehmer haben es auch geschafft mit Hilfe der Hinweise hier und in der Selbsthilfeliteratur ihre Paruresis zu überwinden. Ganz ohne Therapie!
Natürlich ist das einfacher als die Scham zu überwinden, einen Therapeuten anzurufen, ein Erstgespräch zu vereinbaren. Wohlmöglich hat man dann noch so einen "Expositionsfreak" erwischt, der sich gleich zum Pinkeln neben einen stellen will.....Horror :shock: . Oder man redet mit dem Therapeuten unentwegt über seine Kindheit, kann sich nach 30 Minuten wegen des Blasendrucks nicht mehr konzentrieren und ist froh, wenn die Stunde vorbei ist und man es zum Wasserlassen gerade noch in heimische Gefilde schafft...... Später wundert man sich, warum die Therapie nicht anschlägt, die Paruresis nicht besser wird.
Gerade habe ich hier im Forum wieder einen Erstbeitrag gelesen, in dem dem Betroffenen empfohlen wurde, mit der Therapie einfach weiter zu machen, die Paruresis wachse sich aus, wenn das Selbstbewusstsein erstmal stabil genug sei. Leider geht dieser Rat völlig am Thema vorbei. Paruretiker zeichnen sich weder durch eine erhebliche generelle Selbstwertstörung aus, noch zeigen klinische Erhebungen, dass sich Angsterkrankungen so einfach "auswachsen" oder von alleine heilen. Im Gegenteil, sie neigen zur Chronifizierung, wenn man nichts gegen das Vermeidungsverhalten unternimmt.
Viele hier im Forum haben das erlebt. Anfangs waren es nur Urinale in Gesellschaft, dann gingen auch Urinale mit Gefahr, dass jemand hereinkommt, nicht mehr. Später wirkte dann auch der sichere Schutz der Kabine nicht mehr. Reisen ist nicht mehr, weil Zug- und Flugzeugtoiletten nicht mehr gehen. Zuletzt ging pinkeln dann nur noch zu Hause.
In diesem Sinne sind Foren, wie dieses absolut sinnvoll. Es ist so eine Art graduelle Exposition. Alles was hilft einen Schritt weiter zu kommen, aus der Isolation heraus, ist gut und richtig.

So. Nun noch etwas zu meiner Person. Ich habe schon einiges hier geschrieben, es aber bisher versäumt mich vorzustellen. Das möchte ich gerne nachholen.
Ich bin ärztlicher Psychotherapeut und arbeite seit 20 Jahren in meiner Tätigkeit als Arzt. Die ersten 2 Jahre habe ich in der Uniklinik Köln als Assistenzarzt in der Neurologie gearbeitet, danach dann im klinisch-psychotherapeutischen Bereich im Krankenhaus Euskirchen, wo ich auch meine Facharztausbildung und meine Zusatzausbildung Verhaltenstherapie abgeschlossen habe. Seit 2006 bin ich in eingener Praxis als Verhaltenstherapeut niedergelassen und habe seither auch die Zusatzausbildung EMDR und klärungsorientierte Psychotherapie absolviert.
Meine Spezialsierung liegt im Bereich Traumatherapie mittels EMDR und in der Behandlung von Angst- und Zwangserkrankungen mittels gradueller Exposition (sich der Angst schrittweise aussetzen) in Kombination mit EMDR. Ja ihr habt richtig gelesen "Exposition". Dennoch bin ich kein Expositionsfreak und ich stelle mich auch nicht neben meine Patienten an das Urinal, wenn dies nicht ausdrücklich gewünscht ist. Durch meine Arbeit auf der Psychotherapiestation und in der Tagesklinik bin ich Gruppenarbeit sehr gewohnt. Ich führe Achtsamkeitstrainings in der Gruppe durch und auch Expositionstrainings für Angstpatienten in Gruppen, mit denen ich sehr gute Erfahrungen habe.

Meine Motivation hier die Expertenrolle zu übernehmen ist einerseits, dass ich selbst eine Gruppentherapiekonzept zur Behandlung der Paruresis entworfen habe und somit in der Thematik gut drin bin. Zum anderen bin ich selbst Betroffener und habe am eigenen Körper Erfahrungen mit dem Thema Paruresis gemacht. Die Paruresis war bei mir zum Glück nur schwach ausgeprägt (Urinale in Begleitung, Freipinkeln in Begleitung) und nachdem ich einmal erkannt habe, dass es sich nicht um eine Sonderbarkeit meiner Person handelt, sondern um ein gut beschriebenes Krankeitsbild, konnte ich die therapeutischen Prinzipien, die ich über Angsterkrankungen gelernt hatte, effektiv anwenden und mein Vermeidungsverhalten abbauen, so dass ich jetzt eigentlich keine Einschränkungen meiner Lebensqualität mehr habe. Ich sehe mich immer noch nicht am Urinal smalltalken, aber das muss vielleicht auch nicht sein.
Vom Forum wünsche ich mir einen regen Austausch. Ich möchte, wenn gewünscht, gerne helfen und versuche das im Rahmen meiner Kapazitäten zu tun. Ich wünsche mir aber auch anhand eurer Erfahrungen weiter zu lernen, um ein besserer und verständnisvollerer Therapeut zu werden. Wie in meinem Gruppenkonzept, das die notwendige Starthilfe geben soll und dann in eigenverantwortliches Weiterarbeiten im Rahmen der Selbsthilfegruppe führt, fände ich es auch für dieses Forum schön, wenn es eine Art selbstlebender Organismus wird. Es gibt hier viel Neulinge und viele Bedürftige. Denkt bitte daran, dass Nehmen ohne zu geben nicht gesund ist. Wenn ihr profitiert, gebt euer Wissen bitte an andere Teilnehmer weiter, bevor ihr geht. Manchmal reicht ein einfaches: "Hallo und willkommen im Club" schon um andere zu bestärken. Nichts ist frustrierender als hier erstmalig seinen Leidensweg kundzutun und dann ist es über Wochen und Monate so, als hätte man in einen leeren Raum gerufen. Denkt auch daran, immer mal wieder hier rein zu schauen um ein paar Karmapunkte zu sammeln und anderen zu helfen, die noch ganz am Anfang stehen, selbst wenn ihr mit den Toiletten schon lange kein Problem mehr habt.

Also dann mal richtig frohes Pinkeln......
Alex Beisenherz
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
ärztlicher Psychotherapeut
Verhaltenstherapie, EMDR
Alex Beisenherz
Medizinischer Experte
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Registriert: 9. März 2018 16:19
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Re: Neuer medizinischer Experte auf Paruresis.de

Beitrag von Alex Beisenherz »

Ich vergaß noch mitzuteilen, dass ich mit meiner Praxis eine Kassenzulassung habe und meine Leistungen normal über die Krankenkassenkarte abrechne. Ich biete neben der Paruresisgruppentherapie, die Johannes weiter oben verlinkt hat, auch Erstgespräche im Rahmen meiner psychotherapeutischen Sprechstunde hier in Mechernich/Eifel an. In diesen Gesprächen stelle ich eine Diagnose und gebe eine schriftliche Behandlungsempfehlung mit auf den Weg. Diese Behandlungsempfehlung ist ab dem 1.4.2018 Pflicht vor Aufnahme einer Psychotherapie. Ich versuche auch ein Netzwerk aus niedergelassenen Psychotherapeuten und Kliniken aufzubauen, die mit der Behandlung des Krankheitsbildes Paruresis vertraut sind, so dass ich bei eingeschränkter Kapazität oder zu großer Entfernung weiterüberweisen kann.
Nähere Informationen bzw. Terminabsprachen können gerne über PM (Private Nachricht) erfolgen.
Alex Beisenherz
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
ärztlicher Psychotherapeut
Verhaltenstherapie, EMDR
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