Stelle mich vor und mache Mut! Heilung innerhalb von 2 Tagen

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WeißerRiese
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Beiträge: 6
Registriert: 25. Mai 2013 21:25

Stelle mich vor und mache Mut! Heilung innerhalb von 2 Tagen

Beitrag von WeißerRiese »

Hallo zusammen.

Bin neu hier und stelle mich kurz vor. Bin M, 30 Jahre aus Baden-Württemberg.
Leide seit ich denken kann an Paruresis, und denken kann ich anscheinend erst seit der Pubertät ;-)
Ich weiß eigentlich gar nicht wie ich es bis heute geschafft habe meine Krankheit erfolgreich zu verbergen. Ich bin ein wahrer meister im Tarnen und Täuschen. Einige Spione oder Undercover-Agenten könnten sich von mir sicherlich eine Scheibe abschneiden. Ich bin immer wieder erstaunt über meine Kreativität im Erfinden von Ausreden.
Und das MUSS aufhören.
Diese Erkenntnis verdanke ich einem Aufenthalt in einer psychosomatischen Reha-Einrichtung in der ich mich zurzeit befinde. Das Problem welches mich hier her führte war zwar ganz anderer Natur, aber ich dachte mir wenn ich schon mal hier bin kann ich das ja auch gleich mit in Angriff nehmen. Und irgendwie haben Paruresis und meine andere Problematik ja teilweise auch eine gemeinsame Wurzel, nämlich den Mangel an Selbstwertgefühl und Versagensängste.
Daher habe ich nun für mich den Entschluss gefasst meine Fassade aufzugeben und offen mit der Krankheit umzugehen, denn das ist der erste Schritt zur Besserung. Ich habe mich hier einem Mitpatienten ganz einfach anvertraut. Und was denkt ihr war seine Reaktion? Er hat mich nicht wie man sich in den ganzen Horrorszenarien ausmalt ausgelacht und bloßgestellt, nein im Gegenteil. Er hatte sehr viel Verständnis und Mitgefühl und gestand sogar ein, dass er eine Zeit hatte in der es ihm genauso ging.
Es ist mir zwar unendlich schwer gefallen diesen ersten Schritt zu tun und mich zu „outen“, aber das Gefühl der Befreiung hinterher wenn es ausgesprochen ist, ist unglaublich gut.
Ich muss mich, zumindest bei Ihm, nicht mehr verstellen und kann sein wie ich bin. Ein Paruretiker eben. Zumindest momentan noch.
Und Paruretiker sind ganz normale nette Menschen. Genauso wie Menschen mit Flugangst, Höhenangst, Spinnenangst oder Platzangst.
Keiner verurteilt diese Menschen. Und keiner verurteilt einen Paruretiker. Wir Paruretiker verurteilen uns selbst. Und halten genau dadurch unsere Krankheit aufrecht. Genau das müssen wir ablegen. Wir müssen es in die Welt hinausschreien. Schreit es ganz laut: „Ich kann nicht Pissen wenn du mir dabei zusiehst!!!“
Ihr werdet sehen, es geht euch hinterher schon viel besser. Aber geheilt sind wir dadurch noch lange nicht.
Wir sind wie kleine Kinder die das Laufen lernen müssen. Das geht nicht von heute auf morgen. Erst mal müssen wir das Krabbeln lernen. Und ich glaube Krabbeln kann ich schon. Das bedeutet für mich, dass ich mittlerweile Pinkeln kann wenn mein Mitpatient dem ich mich anvertraut habe in meinem Bad neben mir steht. Das hat mich gerade mal eine Woche tägliches Training gekostet. Und mal ehrlich, welcher Säugling krabbelt im alter von einer Woche. Wenns so weiter geht kann ich in ein paar Monaten Marathon rennen.
Ohne mich allerdings jemandem anzuvertrauen und ihn zu bitten mit mir zu üben, wäre ich heute noch da wo ich schon immer war.

Ich weiß hier lesen viele Leute mit, ohne sich anzumelden, aus Scham sich zu outen und suchen einen ultimativen Trick oder Tipp die Krankheit von heute auf morgen zu besiegen, aber das gibt es nicht.
Daher möchte ich all denen Mut machen, meldet euch an, postet eure Geschichte, vertraut euch einem guten Freund/in an, redet über eurer Problem und sucht euch Pee-Budies mit denen ihr beständig übt. Werft die Flinte nicht vorschnell ins Korn. Traut euch, es kostet euch nichts als ein wenig Überwindung und wird euer Leben um so viel mehr verbessern.

Für die Zeit nach der Reha habe ich mich unter der Rubrik „Stammtisch“ bei Heribert Hansen schon mal angemeldet und hoffe, dass es noch einige mehr werden, denn mit Gleichgesinnten redet es sich zugegebenermaßen leichter als mit Außenstehenden. Und das Erfolgsrezept ist schließlich üben üben üben, und mit wem geht das leichter als mit Leidensgenossen.
Ein F-Jugend Spieler trainiert ja auch nicht mit der Bundesliga.
Ich freue mich jetzt schon auf den Termin im Juni. ;-)

Wir haben nur dieses eine Leben, und es ist viel zu schön um es einfach wegzuwerfen aus Angst davor andere könnten vielleicht erkennen, dass wir Schwächen haben und nicht makellos sind. Denn glaubt mir, niemand ist Perfekt, jeder hat seine eigenen Ängste und Phobien, und zwar wirklich JEDER.

Und solltet ihr wirklich auf jemanden Treffen dem ihr euch anvertraut und der euch deswegen auslacht, bloßstellt oder weniger respektiert, dann ist er eurer gar nicht würdig. Dann scheißt auf ihn oder sie und sucht euch richtige Freunde. Denn nur die sind es, auf die es im Leben ankommt.

Jetzt ist meine „kurze“ Vorstellung zwar doch ein wenig länger geworden, aber ich war irgendwie grad im Fluss… :-)
Ich hoffe ich habe einige damit ein klein wenig aufmuntern können. Denkt immer daran, ihr seid gut, genauso wie ihr seid, mit euren kleinen Fehlern und Macken und ihr könnt jederzeit etwas daran ändern.

Viele Grüße, Alex

P.S.: Ach ja, wegen der Überschrift, ja geheilt innerhalb von 2 Tagen wäre toll, dahinter sollte eigentlich noch die Worte "gibt es nicht" stehen, aber leider war der Platz aus :wink:
Johnny
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Beiträge: 24
Registriert: 10. Mai 2013 16:23
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Beitrag von Johnny »

Sehr schöne Geschichte! Stimme da mit Dir überrein. Darüber sprechen bringt schon sehr viel!

Weiterhin viel Erfolg, hoffe der wird bei mir auch immer grösser ;)

Liebe Grüsse
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Lady
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Beiträge: 64
Registriert: 20. Mai 2005 17:08
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Beitrag von Lady »

Das hast du richtig toll geschrieben!!!!!!!
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