Persönliche Erfahrungen

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MK
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Persönliche Erfahrungen

Beitrag von MK »

Hallo, liebe Leidensgenossen. ;-)

Erstens einmal: Vielen Dank an die Betreiber dieser Homepage. Gut, dass es die Möglichkeit gibt, sich irgendwo über so ein Tabuthema auszutauschen. Nachdem ich im Südosten Österreichs wohne ist es für mich wohl leider kaum möglich an eurem Workshop teilzunehmen. :-/

Ich bin 23 Jahre alt und studiere seit 4 Jahren. Ich glaub, bei mir ist das Ganze Gott sei Dank nicht so stark ausgeprägt wie bei manchen Schreibern in diesem Forum. Trotzdem wäre es eine Riesenerleichterung mit diesem Problem abschließen zu können...

Ich möchte hier gerne eine Erfahrung posten:
Mit 17 Jahren war ich bei der Stellung (heißt bei euch in Deutschland glaub ich Musterung), wo festgestellt wird, in wie weit man für den Grundwehrdienst geeignet ist. Dabei gab es mehrere Stationen und bei einer davon musste man halt in ein Becherl pinkeln (wohl um Drogenkonsum festzustellen). Nachdem da mit mir niemand im Raum war, war das für mich eigentlich nicht problematisch. Es hat aber zwei in dieser Gruppe von jungen Männern gegeben, die es auch nach zahlreichen Versuchen nicht geschafft hatten, dort in dieses becherl zu pinkeln. Irgendwann gab es einer von beiden auf, nahm sein Becherl und ging damit ins Klo. Dabei musste er an der gesamten restlichen Gruppe vorbeigehen. Während die meisten in dieser Situation wohl am liebsten im Boden versunken wären, nahm er es mit Humor und teilte uns im Vorbeigehen mit einem breiten Grinser lautstark mit, dass er es nun am Klo versuchen wolle, was ihm dann auch tatsächlich gelang.

Ich persönlich finde diesen Menschen so absolut toll. Statt sich zu schämen nimmt er es mit Humor. Dieser selbstbewusste Auftritt hat mich total begeistert.

Ich kenne Menschen, die ohnmächtig werden, wenn sie eine Spritze bekommen. Ich hab auch schon gesehen, dass Studienkollegen beim Halten eines Referates kreidebleich werden und umfallen. Und wir wünschen uns halt mehr Privatsphäre beim Klo gehen und brauchen halt länger, um uns zu entspannen.
Jeder Mensch und jeder Körper ist anders und viele von uns reagieren körperlich in gewissen Situationen über.
Zuletzt geändert von MK am 23. Mai 2012 23:55, insgesamt 1-mal geändert.
MK
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Beitrag von MK »

Noch eine Erfahrung möcht ich gern mit euch teilen, vl um euch Mut zu machen.
Ich mach seit bald 4 Jahren Kampfsport und da duschen wir uns immer nach dem Training. Für mich ist das ganz normal, ich denk da net drüber nach. Aber es gibt auch Leute bei uns, die mögen das nicht. Die fahren verschwitzt nach Hause, das ist denen lieber.
Aber was mich beeindruckt hat: Es gibt auch einen, der duscht mit der Unterhose. Der zieht zum Duschen einfach seine Unterhose nicht aus und zieht sich dann danach in der Kabine oder mit einem handtuch davor um. Des is aber ein absolut selbstbewusster Typ, achtet sehr auf seinen Körper, ist beliebt, ist ein super kampfsportler, hat eine Freundin. Warum auch immer der des so macht, der steht da einfach dazu und scheint sich da dafür nicht zu schämen. Und vor allem verzichtet er deswegen nicht auf den Sportverein.

So wie ich mich kenn, wär ich wsh gar keinem Sportverein beigetreten, wenn ich so ein Problem mit gemeinsamem Duschen hätte. Drum find i des total stark, wie der des macht und da kann man sich denk ich was abschauen davon.
MK
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Beitrag von MK »

Ich leide unter Paruresis etwa seit ich 16 bin. Ich hab leider den Fehler gemacht, dass ich in der Schule überhaupt nie damit angefangen hatte, mein kleines Geschäft am Pissoir zu verrichten. Auf die Idee kam ich lange Zeit überhaupt nicht, ich bin einfach wegen jedem Geschäft in die Kabine gegangen.
Ich war als Jugendlicher leider ein ziemlicher Stubenhocker und habe sehr viel Zeit zuhause und allein verbracht. Selbstbewusstsein war bei mir in meiner Jugend leider kaum vorhanden. Und irgendwann habe ich dann in der Schule gemerkt, dass das Pinkeln in der Kabine problematisch wurde, vor allem, wenn es rund herum sehr still war. Das waren damals leider sehr schwierige Zeiten, was meine Paruresis sicher verstärkt hat.
Nach Ende der Schulzeit ging es mir von Jahr zu Jahr besser und ich wurde selbstbewusster. Pinkeln in der Kabine war abgesehen von einer kurzen Wartezeit Gott sei Dank nie ein Problem. Am Pissoir läuft es, sofern es keinen Zeitdruck gibt und eine gewisse Privatsphäre gewahrt ist. Das heißt, Schulter an Schulter fühl ich mich schon sehr unwohl. Bei Randpissoirs tu ich mir wesentlich leichter als bei welchen in der Mitte. Und wenn Leute anwesend sind oder hereinkommen könnten, die ich kenne, wirds auch um einiges schwieriger bzw. versuch ichs gar nicht.

Nach der Schule hab ich eine zeit lang versucht, mich zu "verbessern", mich quasi zu therapieren/desensibilisieren und eigentlich hat das auch sofern ichs nicht übertrieben hab gut funktioniert und ich hab teilweise auch neben bekannten am pissoir urinieren können. Auf der Uni sind bei den meisten Klos 2 Pissoirs sehr nah nebeneinander. Da muss ich sagen, versuch ich es nicht, sondern geh, wenn da schon jemand steht, lieber gleich in die kabine. Ich möcht aber auch anmerken, dass ich über 190cm groß und kräftig bin und wenn da zwei von meiner sorte bei diesen pissoirs stehen, wirds schon etwas eng.

Ich hab mich irgendwie mit paruresis abgefunden und hab in letzter zeit allzu herausfordernde situationen vermieden. Unter anderem aufgrund der Erfahrungen, die ich oben beschrieben habe, habe ich mittlerweile das Selbstbewusstsein, dass ich zu meinem Schicksal stehe und mich nicht dadurch isoliere. Es geht immer irgendwie, kabinen gibts ja schließlich überall. Ich hab eigentlich noch nie mit jemandem über meine paruresis gesprochen, kann ich mir auch eigentlich nicht so vorstellen. Würde mich jemand fragen, würd ichs wsh andeuten.
MK
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Beitrag von MK »

Obwohl sich das alles jetzt vielleicht ein wenig locker, lässig anhört, bin ich jedes Mal enttäuscht, wenn ich nicht am pissoir, sondern in der kabine pinkle und wenn ich mich dabei erwische, wie ich darauf achte, ob mir jemand aufs klo folgt. Wie gesagt, an einem Ort, an dem mich keiner kennt, hab ich wenns kan Zeitdruck gibt, kaum Probleme. Aber wie oft bin ich denn an einem Ort, an dem mich keiner kennt? (Uni?, Arbeit?, Training?, Feiern am Abend?)

Ich würde es mir wirklich so sehr wünschen irgendwann ohne diese angst leben zu können und mir keine gedanken mehr machen zu müssen, auf welches klo ich gehe.

Zu üben ist sicher eine super idee. Aber - mal ehrlich - ich bin 23, ich kann net irgendwo hinfahren, nur zum Klo-gehen. Da fehlt mir die Zeit dafür.
Und obwohl ich oben beschrieben habe, wie sehr ich diese selbstbewussten Menschen bewundere, die sich nicht dafür zu interessieren scheinen, was andere über sie denken, wähl ich oft genug die einfachere Variante, in die Kabine zu gehen, anstatt an der Therapierung meiner Paruresis zu arbeiten.
MK
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Beitrag von MK »

Ich hab mir da jetzt mal einiges von der Seele geschrieben und bin froh, dass ich die Gelegenheit dazu hatte. Ich weiß, es is sehr viel, was ich geschrieben hab, aber vl gibts jemanden, der zumindest teile davon liest und etwas dazupostet, auch wenns nur ein satz ist. Es wäre dann das erste mal, dass ich mich mit jemandem über paruresis ausgetauscht hätte und das wär mir viel wert. Grüße MK
Rolf
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Beitrag von Rolf »

MK hat geschrieben:Trotzdem wäre es eine Riesenerleichterung mit diesem Problem abschließen zu können...
Sei froh, wenn du net zum harten Kern gehörst.
MK hat geschrieben:Jeder Mensch und jeder Körper ist anders und viele von uns reagieren körperlich in gewissen Situationen über.
Das sieht nur so aus. Der Kämpfer schützt seine schwache Stellen. Wir müssen körperlich ausleben, was der Kopf net schafft, was eine Art Kompensation darstellt.
MK hat geschrieben:Und vor allem verzichtet er deswegen nicht auf den Sportverein.
Er läßt nicht alles sehen, warum auch immer, und das musst du ihm hoch anrechnen. Es ist eines, einen Macken zu haben. Und es ist ein anderes, sich abzugrenzen.
MK hat geschrieben:Ich hab leider den Fehler gemacht, dass ich in der Schule überhaupt nie damit angefangen hatte, mein kleines Geschäft am Pissoir zu verrichten.
Der Teufel scheißt noch auf den Haufen :evil:
MK hat geschrieben:Würde mich jemand fragen, würd ichs wsh andeuten.
Natürlich. Auch steht es dir frei, mit einer Person deines Vertrauens zu bereden, was dich bewegt. Mit den Jahren nivelliert sich das. Bei Freunden, in der Familie, wo auch immer, kommt irgendwann die Situation, in der du auf der Keramik hockst und dort was auch immer machst. Du wirst sehen, wenn jemand dazu kommt (und will dir nix böses), dass der das nicht mal bemerkt, was du da tust, geschweige was dabei in dir vorgeht.

Und es läuft.
MK
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Beitrag von MK »

Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast, meine Erfahrungen zu lesen und zu kommentieren, Rolf.
Du hast Recht. Ich muss froh sein, nicht zum harten Kern zu gehören. Mir hat meine Paruresis oft genug Kopfzerbrechen bereitet in den letzten Jahren. Und nun stoße ich auf dieses Forum und stelle fest, dass andere anscheinend noch viel stärker durch dieses Problem belastet sind.
Denjenigen wünsch ich viel Durchhaltevermögen und Mut.
Ich sehe aber auch in diesem Forum, dass es anscheinend doch so einige von uns gibt. (Ich hab gelesen, dass 7 % der Bevölkerung Paruretiker sein sollen.) Ob das uns nicht vl den Mut geben sollte, offener mit unserem Problem umzugehen.

Ich hab leider inhaltlich deine Kommentare teilweise nicht verstanden, vor allem den mit dem Teufel.

I würd gern ein Erlebnis von heute erzählen:
Ich war heut wie jede Woche mit einem Freund schwimmen und war schon einige Minuten vor ihm im Schwimmbad. Ich hab mir überlegt, ob ich schon einmal aufs Klo gehen sollte, hab mir dann aber gedacht, ich warte lieber und "nutze" diese Gelegenheit gleich zum üben.
Vor dem Duschen bogen wir beide in Richtung WC ab. Es gibt dort 5 Pissoirs, die (zu meiner Erleichterung) durch so kleine Wände (so genannte Schamwände) getrennt sind. Pissoir 2 und 5 waren bereits besetzt, somit stellten wir uns zu 3 und 4, also nebeneinander. Es lief nach ein paar Sekunden ganz entspannt ohne jegliche Probleme.

Die Herausforderung war eigentlich nicht besonders groß, hätte doch durch die Schamwände wohl keiner bemerkt, wenn nichts gelaufen wäre. Trotzdem standen einer rechts und zwei links und ich bin froh, dass es so gut funktioniert hat.
Solche Schamwände machen das Pinkeln in Gesellschaft um einiges leichter. Trotzdem wärs absolut toll, wenn ich mir über solche Sachen eines Tages keine Gedanken mehr machen würde.
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paru end it
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Beitrag von paru end it »

oha, glückwunsch!

von solchen erfahrungen träum ich, jedenfalls mit kumpels (die es nicht wissen) pinkeln zu gehen.

mit schamwänden schaff ich es manchmal aber nur mit ordentlich druck sonst mit breath holding. unter alkoholeinfluss (richtigen ;) ist mir ansonsten egal wo ich pinkle und wer es merkt. tja trotz vieler erfolge und ner therapie
usw. muss ich mich wohl trotzdem erst mal damit zufrieden geben zum harten kern zu gehören.

der "dreck" will einfach nicht aus meinem kopf egal was ich anstelle. ich muss aber dazu sagen, dass es ne menge pushfaktoren gibt die die paruresis immer wieder bestätigen, allgemeine sozialphobien lebenserfahrungen und umstände die genauso
hartnäckig zu bewältigen sind.

ein teufelskreis also, der durch das älter werden sowieso immer größer
wird.

in meinem fall und vielleicht auch wie in Rolfs fall kann man sich nur damit langsam abfinden. ich merk schon wie es mir immer mehr egal
wird trotz das es da bleibt.

bescheurte und unangenehme situationen wird es immer wieder geben
aber wir sind ja meister im verbergen :) das zeichnet uns aus.
bin noch 26 und nur die wenigsten (die denen ich es erzählte) wissen von dem problem, das sind meine referenzen.

dieses angebliche "normal sein" hat natürlich auch seinen preis und ich werde immer die leute beneiden die ihr leben zu 100% nutzen können.

aber ach wat solls. der eine hat krebs, der andere versinkt mit der costa concordia der andere ist ebend ein playboy mit 1000 weibern, na und,
wir sind die 7%

nimmt man all die kranken (psy. wie auch phy.) stelln wir bestimmt die mehrheit auf diesem a**enplaneten :)
auch wenn es uns vorkommt nur von normalos umzingelt zu sein.

tja so is es und so wird es immer bleiben

aber cool wenn es bei dir "läuft"

mfg 8)
MK
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Beitrag von MK »

Danke für den Kommentar.

Ja, unter Alkoholeinfluss is mir das auch alles egal. Da kenn ich keine Paruresis. Schade, dass ma diesen Aspekt des Betrunken-Seins net irgendwie auf das Nüchtern-Sein übertragen kann.

By the way: Irgendwie könnt ichs mir nicht vorstellen, mit jemandem über dieses Thema zu sprechen. Des wär mir so unangenehm. Über das Klogehen redet man halt einfach nicht, das hat gar nicht unbedingt was mit Tabuisierung zu tun.
Außerdem ist es doch unseren Mitmenschen in Wahrheit egal, wie lange jemand da steht, bevor es läuft. Zumindest für die, die nicht zum harten Kern gehören, ist ja die Furcht vor der Blamage die einzige Angst.

Wie ich vor einigen tagen auf der Uni am Pissoir gepinkelt habe, hat sich jemand zum Nebenpissoir gestellt. Er hat sich so gschamig zur Ecke gedreht, dass ich nicht sagen kann, ob es da gelaufen ist. Nachdem er jedoch schon sehr bald und noch vor mir fertig war und ich "nichts gehört" habe, glaub ich nicht, dass er pinkeln konnte.
Rolf
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Beitrag von Rolf »

paru end it hat geschrieben:in meinem fall und vielleicht auch wie in Rolfs fall kann man sich nur damit langsam abfinden. ich merk schon wie es mir immer mehr egal
wird trotz das es da bleibt.
diese frage nach der lebensqualität kommt immer wieder hoch. wer sagt, eine qualität sei immer nur positiv, ich meine, ich kann doch nur auf das zurückgreifen, oder das ablehnen, was da ist, nicht vergessen...

koppelst du das pinkeln an eine übertriebene reinlichkeitserziehung oder ist das etwas an von dir was du anderen nicht zumuten willst kannst oder ist es noch wertiger und steht irrtümlich an einer stelle deiner person wo das eigentlich nich hin soll...

dat ding in die schmuddelecke stellen ist der erste fehler.
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