Wie geht "breathholding"?

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bernhard
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Wie geht "breathholding"?

Beitrag von bernhard »

Ich war auch auf dem workshop in Speyer und freue mich sehr, dabei gewesen zu sein, obwohl meine Paruresis eigentlich kein "Problem" mehr für mich ist.
Und zwar weil ich die Technik des breathholding/Luftanhaltens gelernt habe. Für jeden, der das schafft, ist die Paruresis keine Einschränkung oder Bedrohung mehr.

Was mich betrifft möchte ich jedoch trotzdem auch ohne die Technik weiter an der Paruresis arbeiten, denn in meinem speziellen Fall erscheint sie mir wie ein sehr symbolisches Symptom für einige ständige Überforderung, die ich an mich selbst stelle. Und was mich natürlich nicht nur beim Pinkeln an meine Grenzen führt. Ein bisschen mehr Gelassenheit, Geduld, und Scheiß-Egal Haltung wäre für mich persönlich sehr gesund, und ist auch alles was ich brauche um pinkeln zu können - insofern hat mir das Üben in Speyer noch bei ganz anderen Aspekten meines Lebens weitergeholfen.

Auf dem workshop wurde mir deutlich, dass es für viele sehr schwierig zu sein scheint die Technik des breathholding/Luftanhaltens anzuwenden, und habe den Eindruck, dass diese Technik gelernt werden muss. Bei Leuten wie mir die Leistungsschwimmen und Tauchen gemacht haben dürfte es viel schneller gehen weil man dann schon gelernt hat seinen Atem besser zu kontrollieren.

Wer es gar nicht schafft, die Technik zu lernen, sollte trotzdem nicht verzweifeln, sondern sich einfach einen Kathether besorgen. Das mag auch erstmal nicht schön sein, aber eine "Lebensversicherung" in der Hinterhand zu haben macht es meiner Erfahrung ungemein leichter die Vermeidungsstrategien zu beenden - und wieder frei zu leben. Eins wurde auf dem workshop für mich deutlich: Niemand muss dauerhaft unter dem Problem leiden, aber es zwingt einen, sich seiner Angst zu stellen und Dinge zu machen die unangenehm und teilweise ungemein peinlich sind. Aber am Ende wird man dadurch nur gelassener und auch reifer.

Nun zum breathholding/Luftanhalten:

- Die Technik ist für normal gesunde absolut risikofrei. Schlimmstenfalls wird einem schwarz vor Augen und man verliert kurz das Bewusstsein (ist aber noch nie passiert, jedenfalls kenne ich niemanden, aber es dauert auch ne ganze Weile bis man wirklich bewußtlos ist. Nur die Angst davor ist das Problem!).
- Ihr dürft keine Angst vor dem nicht-atmen-können haben.
- Wenn ihr das übt, macht ihr im Prinzip nichts anderes als das ganz reguläre Training von Leistungsschwimmern und Tauchern.

- Wie funktioniert es nun? Eigentlich ganz einfach: Halt so lange die Luft an, bis Du pinkelst.

- Wie lange muss man die Luft anhalten? So lange, bis man denkt es geht absolut nicht mehr, und (unbedingt!) noch ein bisschen länger.

- Die exakte Dauer ist natürlich bei jedem unterschiedlich und hängt vom Lungenvolumen und der körperlichen Verfassung ab. Ich würde aber sagen, dass es bei jedem funktionieren sollte, solange mir nicht jemand schreibt er sei kurz ohnmächtig geworden und hätte immer noch nicht gepinkelt.

- Wie kann man es lernen? Nach der Übung in Speyer empfehle ich folgendes: Setzt Euch irgendwo auf ein Klo (egal wo), atmet aus und haltet Euch Nase und Mund zu um ganz sicher nicht zu atmen. Das solltet ihr mindestens eine Minute so durchhalten.

- Da untrainierte Leute anscheinend reflexhaft schnell wieder nach Luft schnappen, wenn sie an ihre Grenzen kommen, werden die meisten Leute üben und die Zeit langsam steigern müssen.

- Nehmt also eine Stoppuhr, haltet die Luft so lange an wie möglich, und verlängert die Zeit jedesmal um 2 Sekunden. Irgendwann werdet ihr an den Punkt kommen dass der Muskel sich öffnet.

- Mit der Zeit kann man dann lernen auch ohne Nase-Zuhalten nicht mehr zu atmen - der Weg ans Pissoir ist frei!

- Mein Körper ist inzwischen so konditioniert dass es beim Luft-Anhalten schon sehr schnell passiert. Allerdings, wenn der Muskel sehr verkrampft ist, muss auch ich manchmal noch richtig lange die Luft anhalten. Aber dann ist auch die Verkrampfung weg und das weitere Üben auch ohne Luftanhalten wieder leichter.

Vielleicht können die Moderatoren diese Anleitung irgendwo noch an prominenterer Stelle in diesem Forum platzieren, z.B. beim Expertenrat. Die Technik ist einfach zu wichtig, und es ist bedauerlich dass bisher so wenige Leute sie verwenden können. Dabei sollte sie erlernbar sein - wäre schön, wenn auch andere noch Erfolgserlebnisse hätten!
Alex Beisenherz
Medizinischer Experte
Beiträge: 66
Registriert: 9. März 2018 16:19
Wohnort: Mechernich/Eifel

Re: Wie geht "breathholding"?

Beitrag von Alex Beisenherz »

Hallo Bernhard,
ich hole diesen wichtigen Beitrag nochmal nach vorne, weil ich ebenfalls finde, das diese Technik im deutschen Forum, anders als im amerikanischen, bisher zu wenig Beachtung bekommen hat. Ich ergänze daher nochmal meine eigenen Anleitung:

Bei der Breath Hold Methode ist es nicht so wichtig, wie lange man den Atem anhalten kann. Wichtiger ist, dass man es schafft noch länger nicht einzuatmen, wenn einmal wirklich Atemnot eintritt und der Körper dermaßen nach Luft ringt, das es sehr unangenehm wird. Wann dieses nach-Luftringen-Gefühl einsetzt ist von Person zu Person unterschiedlich. Je mehr man beim Beginn der Übung ausatmetet desto früher wird das Gefühl einsetzen.
Ein guter Richtwert beim Ausatmen ist ungefähr 3/4 des Lungeninhaltes und dann....halten.......halten und noch länger halten. Wenn Atemnot eintritt, dauert es etwa weitere 5 bis maximal 20 sec. bis sich der Beckenboden senkt und der Urin läuft. Wichtig ist, dass man trotz der Atemnot versucht körperlich und mental entspannt zu bleiben, das kann man wirklich lernen.

Hilfreich kann sein, beim Beginn der Atemnot vom 20 rückwärts zu zählen.

Ein häufiger Fehler ist, dass man einfach wartet, dass es von alleine läuft. Ihr solltet schon versuchen den Urinfluss zu initiieren. Macht einfach das, was ihr zu Hause in eurem Badezimmer machen würdet, wenn ihr ungestört anfangen wollt zu pinkeln.

Versucht erst wieder einzuatmen, wenn der Fluss stabil ist. Sollte das nicht gelingen, nehmt einen minikleinen Atemzug, gefolgt von einem längeren Ausatmen und haltet dann weiter, bis der Fluss stabil ist. Bei einem sofortigen Einatmen kommt es oft vor, dass der Fluss wieder abbricht.
Gebt nicht zu früh auf, es klappt häufig bei den ersten Versuchen nicht richtig, weil es einfach so verdammt hart ist nicht einzuatmen, wenn der Körper danach schreit. Und dann auch noch relaxt zu bleiben......Übungssache......Es lohnt sich. Bleibt dran und nutzt diesen Thread um Eure Erfahrungen oder Schwierigkeiten mit dieser Technik hier zu diskutieren. Ich werde zum Erfolg dieser Technik auch mal eine Umfrage starten
Alex Beisenherz
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
ärztlicher Psychotherapeut
Verhaltenstherapie, EMDR
dscho
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Re: Wie geht "breathholding"?

Beitrag von dscho »

Hi,

ich würde mir gerne die breathholding Methode aneignen, habe aber ein paar Fragen. Wäre toll wenn sie mir jemand beantworten könnte.
- wieso soll man etwa ¾ der Atemluft ablassen vor dem Üben? Wieso nicht alles komplett. Dann dürfte es doch schneller gehen.
- und macht es Sinn, langsam weiter auszuatmen oder sollte man die Restluft in der Lunge behalten?
- wenn ich in Atemnot bin, fängt mein (Ober)körper/Brustbereich an leicht zu „zucken“ bzw. so ein Reflex (ist vielleicht das Zwerchfell, das einen Unterdruck erzeugen will, damit neue Luft eingesogen wird?). Ist dieses Zucken immer präsent oder geht das irgendwann mal weg? Würde blöd aussehen, wenn man vorm Pissoir steht und anfängt zu zucken :-). Außerdem würde es auch beim Wasserlassen stören.
- wie oft soll man am Tag üben? Und kann man direkt nach einer Übung die nächste starten oder sollte man lieber eine Pause machen?
- wie wendet man es in der Praxis an? Hält man die Luft an, während man zum Pissoir geht oder macht man das erst wenn man davor steht?

Danke
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