Absolut verzweifelt...

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LeLavie
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Absolut verzweifelt...

Beitrag von LeLavie »

Guten Abend :-)

Ich bin verzweifelt. Bis vor zwei Tagen war mir das Wort "Paruresis" nicht bekannt und ich dachte wirklich ich sei alleine. Zu allererst möchte ich sagen, dass ich hier wohl zur Minderheit gehöre, also zu den Frauen :)

Meine Geschichte:
Ich hatte immer wieder mal Schwierigkeiten an fremden Orten mein kleines Geschäft zu erledigen, hab es aber ehrlich gesagt nie als Problem erkannt.

Letzten Sommer hab ich meinen Job gewechselt. Dort ist folgendes Situation. Die zwei Büros sind direkt neben der Toilette. Und man hört so gut wie alles. Da auch die Türen offen sind und die WC Tür kaum was bringt war mir anfangs schon klar dass Privatsphäre hier ein Problem ist. Bei meinen vorigen Arbeitsstellen waren die Toiletten weeeiiitt weg vom Büro und mehrere Kabinen gegeben. Wobei ich dort teilweise mehrere Minuten warten musste bis ich mal alleine war.

Der Tag der dann mein Trauma entstehen lassen hat war dann letztes Jahr Oktober. Bei uns war's ziemlich ruhig und ich hab ziemlich viel getrunken gehabt, und plötzlich ging nichts mehr. Ich sass dann total verzweifelt auf dem Klo und war total verzweifelt. Nach paar Minuten aufgestanden und ins Büro zurück. Naja nur lässt sich ein Blasendruck kaum ignorieren und Schmerzen kamen hinzu. Also Versuch 2. Nichts. Ich hab angefangen zu schwitzen, herzrasen und mir überlegt wie ich hier am besten weg komme. Aber das war alles keine gute Lösung. Pure Verzweiflung. Das Trauma hat sich dann ergeben, weil ich wirklich mit einer leeren Flasche runter in Keller bin und mein Glück versucht hab. Erfolglos. Ich hab dann geweint aus voller Verzweiflung und Scham. Das ich unten im Keller sitze und was eig los ist. Also mit schmerzender Blase wieder ins Büro. Konzentration unmöglich. Dann ist mir eingefallen dass ich noch pflanzliches Beruhigungsmittel dabei hab und hab zwei Tabletten genommen. Nach 30 Min wieder aufs Klo und gaannzz langsam ging es voran. Zufrieden mit dem Wissen dass das die Lösung ist hab ich also täglich Beruhigungstabletten genommen bis dann irgendwann vor zwei Wochen es wieder so war. Mal wieder super. Mir war klar das Keller nie wieder eine Lösung sein wird. Ich schäme mich heute noch dafür. Also dachte ich mir ok ich muss meinen Joker einlösen. Bin also zum Chinesen/Restaurant hab was zum mitnehmen bestellt und das WC genutzt. Nun ist mir klar dass das mein Joker war und ich in der nächsten Situation wirklich ein Problem hab. Aktuell versuche ich immer in Momenten zu gehen, wenn alle telefonieren oder es relativ laut im Büro ist. Ich trinke auch nichts mehr im Büro. Eine Lösung allgemein ist es nicht. Vor allem bin
ich wirklich gerne in die Arbeit gegangen. Nun kann ich nachts nicht schlafen weil ich mir nen Kopf mache wie es morgen wird. Einfach kein Zustand.
Privat ist Anfang Januar auch eine Situation gewesen die mir zum denken gegeben hat. Hatte nen Freund besucht und als es später wurde hatte ich dort übernachtet. WC direkt neben dem Schlafzimmer. Ich vom Wohnzimmer ins WC. Keine Chance. Hatte schon totale Krämpfe weil ich es mir verkniffen hatte über mehrere Stunden. Bin verzweifelt ins Taxi und heim.

Mir ist in den letzten Wochen wirklich bewusst geworden dass das so einfach nicht normal ist und ich psychisch total angeschlagen bin da es meinen Alltag total beherrscht.

Daher hab ich das Forum nun aufgesucht weil ich dringend jemanden zum austauschen brauche, der das Problem nachvollziehen kann.

Lg
LeLavie
Sammy_03
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Registriert: 22. März 2011 22:17

...

Beitrag von Sammy_03 »

Hey LeLavie,

ich denke dein Problem kennen viele ganz gut. Ich habe damals während meiner Ausbildung das erste Jahr gar nicht auf der Arbeit urinieren können. Es war sehr anstrengend. Habe wenig getrunken, wenn es Mittags schon schlimm war bin ich in der Pause nach Hause gefahren (15 km eine Tour)...Ich habe dann eine Verhaltenstherapie begonnen (vor 3 Jahren), die mich am Anfang auch weiter gebracht hat. Relativ schnell hat es dann bei der Arbeit geklappt (aber nur, wenn ich alleine auf Toilette war, aber das ist die meiste Zeit der Fall, da es viele Toilettenräume im Betrieb gibt)... Es war einfach nur Übung. Mir hilft es immer, wenn ich weiß, dass wenn es nicht klappt, ich noch eine Alternative habe, wo es klappt. Meine Alternative war dann z.B. der Weg nach Hause. Ich weiß nicht wie deine Situation aussieht, ob du weiter weg wohnst.

Ich kann dir nur raten, einen Verhaltentherapeuten aufzusuchen. Dafür brauchst du erst einmal Mut, bei diesem anzurufen. Der Therapeut sollte das gleiche Geschlecht wie du haben. Dann benötigst du eine Überweisung vom Hausarzt, auch das bedeutet wieder viel Mut. Mir war das auch alles sehr peinlich bzw. ist es immer noch. Die Therapie hilft dir bestimmt, lockerer zu werden. Bei mir hat es leider nicht so funktioniert, allerdings muss ich auch gestehen, dass ich in meinem Alltag sehr gut zurecht komme. Nur eben nicht bei Kurztrips oder Reisen. Wenn ich in die Disco gehe, dann gehe ich meisten raus und pinkel im Dunkeln in ein Gebüsch. Daher habe ich oft nicht geübt, weil mein Tagesablauf ja funktioniert. Daher sind die Resultate irgendwann ausgeblieben und der Fortschritt stagnierte oder es wurde wieder schlechter... Ich werde daher vermutlich noch eine weitere Therapie bei der Uni Düsseldorf beginnen (wenn alles klappt), denn die haben Paruresis als Forschungsgebiet und haben wohl schon einigen helfen können.

Wie du merkst, vermeide ich auch noch oft Situationen. Das ist aber der Fehler. Das wichtigste ist, dass du jede Situation nutzt, um auf eine öffentliche Toilette zu gehen. Oder sogar bewusst nach der Arbeit z.B. irgendwo anhältst, nur um auf Toilette zu gehen bzw es zu versuchen. Irgendwann merkt dein Unterbewusstsein, dass gar keine Gefahr von der Situation aus geht und dann läuft es. Dass du nicht pinkeln kannst liegt daran, dass dein Körper bei Stress und Angst in ständiger Fluchtbereitschaft steht (Evolutionsbedingt). Das bedeutet, der Körper spannt z.B. deinen Blasen Schließmuskel (Sphinker) an, da es ungünstig wäre, wenn du bei der Flucht pinkeln müsstest. Daher ist es vor allem wichtig, dass du lernst, dass keine Gefahr ausgeht. Und das schafft man nur, wenn man sich der Angst stellt und immer wieder trainiert und sich Konfrontation betreibt.

Ich weiß nicht wie alt du bist, aber vergeude deine Zeit nicht, in dem du Eigenversuche startest. Hol dir Hilfe, nur das bringt dich weiter. Alleine fehlt dir der Mut und das Durchhaltevermögen, und vor allem ein richtiges System, dass Problem selber zu verbessern. Evtl. sprich mit ganz engen Verwandten oder deinem besten Freund/Freundin. Du wirst merken, dass es gut tut und dass die eher interessiert sind als dich auslachen. Außerdem nimmt es dir Druck weg, wenn die bescheid wissen. So können die sich z.b. darauf einstellen, dass es bei dir viel länger auf Klo dauert. Oder die wissen dann, dass die dich nicht stören sollen. Ich habs auch 3 Leuten erzählt, war alles ganz entspannt! Soo es ist ziemlich spät und ich habe alles durcheinander geschrieben und bestimmt auch ein paar Fehler eingebaut. Sorry dafür ;)
LeLavie
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Registriert: 3. Februar 2014 18:33

Beitrag von LeLavie »

Hallo Sammy,

vielen Dank für deine Antwort. Ja das mit der Therapie hab ich schon ins Auge gefasst, hab da auch gestern schon ein Telefonat geführt.

Ich bin 24 Jahre alt.

Es ist wirklich unglaublich wie einen das aufarbeitet. Ich hab leider keine Möglichkeit während der Arbeit heim zu fahren - Entfernung ist einfach zu gross. Teilweise bin ich schon so am Ende, dass ich mir denke ich muss wohl wirklich meinen Job kündigen weil das dauerhaft so nicht für mich machbar ist.
Meiner Mutter und einer Freundin hab ich mich schon anvertraut. Die haben da auch Verständnis aber helfen können mir die da nicht. Ich bin auch ein relativ offener Mensch der kein Problem hat darüber zu sprechen. Ich hätte auch nie gedacht dass ich mal an so einem Punkt kommen könnte.

Lg
LeLavie
Sammy_03
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Bloß nicht kündigen

Beitrag von Sammy_03 »

Kündigen darfst du auf keinen Fall. Wenn du erst einmal so einen Schritt machst, dann schmeißt du ja alles praktisch hin.

Also für äußerste Notfälle gibt es Menschen, die sich einen Selbstkatheter legen (so wie zB Querschnittsgelähmte). Sowas ist mir bis jetzt nur mal in den Gedanken gekommen, als ich mal 12 Std fliegen sollte. Zum Glück IST es dann nicht so weit gekommen dass ich fliegen musste. außerdem auch keine angenehme Methode und auch wieder nur eine Flucht. Würde ich dir von abraten. Das mit weniger Trinken hilft auch oft nicht. Da ich es mir schon so eingeprägt habe wenig zu trinken komme ich sogar am Tag nur auf 1 L zu trinken, hab selten Durstgefühl. Außerdem nimmt man ca 1 Liter Flüssigkeit am Tag mit Nahrung auf, sogar trocknendes Brot besteht aus 60 % Flüssigkeit, habe ich mal gelesen.

Was evtl helfen kann ist Wärme. Nimm dir sehr Warmes Wasser mit auf Toilette und halte deine Finger rein. vielleicht klappt das. Ansonsten zur Ablenkung ein Handy mitnehmen und ein Spiel spielen. wenn du dich gerne austauschen möchtest kannst du mich auf privat anschreiben. Dann kann ich dir erzählen, wie ich bestimmte Situationen angehe
LeLavie
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Beitrag von LeLavie »

Ja mir ist es ein Rätsel. Ich bin letztes Jahr auch zweimal 24 Stunden geflogen und da hatte ich kein Problem. Da war's eher peinlich weil ich die Türen immer so schwer aufbekommen hab. :)

Ich konnte bei mir allerdings auch beobachten dass es oft an meiner psychischen Verfassung liegt. Bin ich gut drauf und glücklich hab ich eine gewisse Leichtigkeit und es geht meistens. Bin ich nicht gut drauf entstehen diese Ausnahmesituation.

Ja an den Katheter hab ich auch schon gedacht aber wenn es soweit kommt würde mich das glaub ich noch mehr belasten. Ich stell mich ja sonst nicht so an. Ich versteh einfach nicht wie das jetzt solche Ausmaße nehmen konnte.. :(
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Beitrag von Lady »

Selbstkatheter legen hört sich so schrecklich an!!!!!
Das ist es absolut gar nicht....

..für mich ist das mittlerweile genauso als würde ich ein Tampon anwenden....

...ich mache auch eine Therapie. Benutze seit letztem Jahr auch diese Einmal-Katheter zur Selbstanwendung. Und es konnte mir quasi nichts besseres passieren. Schon allein, dass ich weiß ich kann mit denen immer und überall hab ich in den ersten paar Monaten ganz viel angst verloren. Weiterhin ist es so, dass du dadurch wieder anfängst ganz normal zu trinken und dadurch auch wieder regelmäßig auf Toilette gehst ohne dir große Gedanken zu machen, ob es klappen könnte oder nicht. Wenn es nicht klappt holst du dir deinen Katheter aus der Hosentasche ;-)

Ich war dafür bei der Urologin, hab mein Problem auf Papier mitgebracht, weil ich letztes Jahr noch nicht so gut darüber sprechen konnte. Sie hat es sich durchgelesen, mir eine Therapeutin empfohlen und mir den Termin bei einer Frau gegeben, die mir in 20 Minuten beigebracht hat wie man Katheter selbst anwenden kann.
Zwei Tage geübt und schwuppdiwupp war ich der glücklichste Mensch, den man sich vorstellen kann!!!!


:-) ...und Katheter sind absolut nicht körperlich gefährlich oder uneffektiv die Paruresis zu besiegen, solange man das Problem trotzdem angeht.

Habe hier, glaube ich, auch mal einen Beitrag dazu verfasst ;-)
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