Meine Erfahrungen

Hier gibt es alles zum Thema psychische Entleerungsstörung
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easy
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Meine Erfahrungen

Beitrag von easy »

Hallo liebe Forengemeinde,

ich bin 18 Jahre alt, besuche die 12. Klasse eines Gymnasiums und leide seit etwa 4 Jahren an Paruresis. Eins vorweg: seitdem ich denken konnte, war ich ein Kabinenpinkler und hatte nie wirkliche Probleme damit. Wenn es mal sein musste ging es aber auch am Urinal. Die Ursache für das Problem liegt denke ich darin, dass ich damals in der Schule stets Angst davor hatte, dass mir jemand auf meinen Penis schaut, da ich dachte ich wäre unterdurchschnittlich bestückt, was sich aber später als grobe Unwahrheit herausstellte. Ich habe mich also stets, selbst in der Kabine, beobachtet gefühlt. Dieses Scharmgefühl bildete eine fruchtbare Grundlage für die Entleerungsstörung. Es kam zu einer Hand voll Situationen, in denen ich unter Druck gesetzt worden bin, aber immer mein Geschäft nach mehr oder wenig langer Zeit verrichten konnte. Irgendwann ging es dann aber soweit, dass ich anfing unverrichteter Dinge die Toiletten zu verlassen, da es mir irgendwann peinlich war immer so lange zu brauchen. Danach habe ich öffentliche Toiletten weitgehend gemieden und eines Tages an einer Flughafentoilette gemerkt, dass es garnicht mehr, egal wie lange ich gewartet habe, funktioniert.

Von nun an begannen die euch wahrscheinlich gut vertrauten Verhaltensweisen mit Beobachten der Toiletten, wenig trinken etc. pp.
Da ich zugegebenerweise größtenteils das Haus nur aus sportlichen und schulischen Gründen verlassen habe, hat mich das (außer auf Reisen natürlich) nicht großartig gestört. In vertrauter Umgebung findet man schließlich immer eine Möglichkeit sich irgendwie zu erleichtern. Ich hatte das Problem aber immer im Hinterkopf, aber habe mich erst anfang diesen Jahres richtig damit befasst, nachdem ich mich auf einer 9-stündigen Zugfahrt einfach nicht erleichtern konnte. Mir würde es völlig ausreichen mich in einer geschlossenen Kabine erleichtern zu können. Ich meine Kabinen gibt es sowieso überall und ein Problem vor anderen Menschen in die Kabine zu gehen habe ich nicht und hatte ich nie.

Mittlerweile habe ich mir die Breath-Holding-Methode angeeignet und erhebliche Fortschritte in meiner Anti-Paruresis-Kampagne gefeiert. Es klappt praktisch immer in der Kabine, wenn man es richtig macht. Anfänglich habe ich sofort wieder angefangen nach Luft zu schnappen, nachdem das erste Tröpfchen kam, was sich als Fehler herausstellte, da sich der Harnmuskel daraufhin sofort wieder zusammenzog. Man muss die Luft noch einige weitere Sekunden anhalten, damit man sich an den Zustand gewöhnt hat und sich damit abgefunden hat, dass noch Andere im Raum sind. Ein Weiteres, was mir zum dauerhaften Erfolg der Breath-Holding-Methode verholfen war das genaue Timing. Für das eigene Unterbewusstsein ist es sehr hilfreich schon nach kurzer Zeit nach Betreten der Kabine mit dem Uriniervorgang zu beginnen. Das heißt im Klartext, dass man den genauen Ablauf genau einstudieren muss. Man muss die Ganggeschwindigkeit so anpassen, dass man sofort loslegen kann. Man kann zum Beispiel auch noch mal kurz vor dem Gang auf die Kabine oder das Urinal seine Frisur checken oder sein Handy rauskramen und so tun, als ob man gerade etwas Wichtiges macht. Das sind alles Sachen, die zumindest bei mir, bisher immer sehr erfolgsversprechend waren. Obwohl ich erst seit etwa 4 Monaten aktiv gegen die Phobie vorgehe, habe ich schon für mich selber gigantische Fortschritte gemacht. Ich habe die Angst abgebaut zu versagen, was mir sehr geholfen hat. Auch wenn ich mal nicht kann ist es mir nicht peinlich und ich versuche es kurz darauf noch einmal. Ich habe bisher nur mit meiner Mutter und einem sehr guten Freund über das Problem geredet, aber mein Anliegen schön öfter angedeutet. Und wisst ihr was? Es interessiert echt keinen, ob ihr jetzt gepinkelt habt oder nicht. Wenn ihr noch jung seid, solltet ihr das Problem aktiv angehen, denn ich merke selber, wie schnell einem die Erfolge von der Hand gehen, wenn man nur mit der nötigen Ignoranz und Disziplin an dem Problem dran bleibt. Bei einem kleinen Zwischenerfolg sollte man dies so schnell wie möglich in derselben Situation wiederholen, um sein Unterbewusstsein kognitiv zu stärken.

Denkt dran: jeder hat seine Fehler und Macken. Viele haben Probleme einen hoch zu bekommen oder sind wahnsinnig aufgeregt, wenn sie eine wichtige Prüfung haben. Man sollte sich fragen, wie viel einem ein unbeschwertes Leben wert ist und welchen Einsatz man bereit ist dafür aufzubringen.

Ich werde euch auf dem Laufenden halten. Ich bin gespannt auf neue Denkanstöße, Tricks und Feedback.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.
Thomas P
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Registriert: 5. Juni 2012 15:45

Kabinenpinkler

Beitrag von Thomas P »

Hallo,

ich finde deinen Artikel total interessant und verblüffend wie viele Ähnlichkeiten ich feststelle, aber auch Unterschiede.

Im Gegensatz zu dir, bin ich schon über 20 Jahre älter, habe aber auch seit der Pubertät dieses Problem. Komischerweise empfand ich bis vor paar Jahren gar keinen Leidensdruck, denn ich konnte immer in der Klokabine und ging nie ans Urinal.

Mit zunehmendem Alter stelle ich jedoch fest, dass ich öfter pinkeln muss als früher (besonders bei kalten Füßen) und ich somit öfter Toilettensituationen ausgesetzt bin. Deshalb suche ich jetzt auch aktiver nach Lösungen.

Von der Breath-Holding-Methode hatte ich bisher noch nichts gehört.

Meine Tricks, die vielleicht denen helfen können, die auch in der Kabine Probleme haben:
Normalerweise geht man ja in die Kabine fürs große Geschäft. Im Gegensatz zum pinkeln ist es hier ja eher männlich, wenn man länger braucht. So nimmt das mir den Zeitdruck. Außerdem wenn man sitzt, dann hört man auch nichts plätschern, d.h. niemand erwartet quasi ein Pinkelgeräusch. Und im Sitzen einen fahren lassen erleichtert mir den Beginn zum pinkeln. Dem Ekel vor verschmutzen Toilettensitzen kann ich im Gegensatz zur Paru aktiv begegnen, mit Klopapier und dem Wissen, dass nichts ungesundes daran ist.

Aber ich habe natürlich Panik vor Situationen wie Pinkelpause am Straßenrand bei einer Fahrt mit Freunden oder Barbesuch am Abend und die (einzige) Klokabine ist besetzt oder die Tür lässt sich nicht richtig verschließen. Vor allem davor, dass Bekannte sich wundern, warum ich immer in die Kabine gehe, ob ich etwa Durchfall hätte oder so.

Daher möchte ich es jetzt aktiv angehen, auch am Urinal oder neben Bekannten stehend pinkeln zu können und bin für Tipps und Tricks sehr dankbar.
easy
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Registriert: 5. Juni 2012 01:22

Beitrag von easy »

Hallo Thomas,

danke für deine Antwort.

Du solltest dich mal über die Breath-Holding-Methode informieren. Sie war bei mir der Schlüssel zu meinen ersten Erfolgen, die ich gefeiert habe. Wichtig ist, dass du sie richtig anwendest und nicht aufgibst. Somit umgehst du praktisch die Blockade, der du durch dein Unterbewusstsein erliegst und hast somit einen Notfallpinkelplan der auf jeden Fall funktioniert! Zudem ist es hilfreich sich dabei mental abzulenken, da man ja den Strahl aufrecht erhalten muss, wenn es erstmal läuft. Keine Angst, wenn du nach den ersten Tröpfchen sofort wieder verkrampfst! Die Breath-Holding-Methode sollte geübt sein und funktioniert von Mal zu Mal besser. Du wirst merken, dass, wenn du dich durch Breath-Holding an einen bestimmten Ort gewöhnt hast (also dort um die 10 Erfolge hattest), irgendwann ohne Luftanhalten pinkeln kannst.

Das mit der Sitzposition habe ich auch schon probiert, aber bei mir klappt es in Kabinen, wie gesagt, in letzter Zeit ausschließlich immer, sodass das kein Problem für mich darstellt.

Ich habe gemerkt, dass ich mich auch charakterlich geändert habe und selbstbewusster geworden bin, was mich zu dem Schluss kommen lässt, dass man Probleme auch woanders suchen muss. Ich habe mir früher immer alles zu Herzen genommen und sehr genau darauf geachtet, was Andere über mich denken. Mit der Zeit hat das abgenommen, weil, wenn man mal ehrlich ist, man selber manchmal innerlich über Andere lästert und das eigentlich völlig normal ist. Keiner ist perfekt. Außerdem ist keiner besser nur weil er ohne Probleme am Urinal kann. Meine Mutter hat mir gesagt, dass ich mir da nur was in den Kopf gesetzt habe. Und das stimmt. Ich bin davon überzeugt, dass man Paruresis innerhalb kürzester Zeit heilen kann, wenn man sich nur intensiv damit außeinander setzt. Wenn man sich beispielsweise einen ganzen Tag lang mehrere Stunden der Demütigung aussetzt an einem öffentlichen Urinal zu stehen und einfach nicht weggeht bis etwas kommt, könnte man schon den entscheidenden Schritt geschafft haben. Klar ist es typenabhängig, aber ich denke, dass wir Menschen alle gleich gestrickt sind und uns solche Extremsituation helfen unseren inneren Schweinehund zu überwinden.

Wenn ich aus der Kabine rausgehe, schaue ich anderen bewusst direkt in die Augen, um zu zeigen, wer der Boss ist :twisted: Es ist auch keine Schande, wenn man mal sagt, dass man nicht sofort kann. Sobald man sich entleert hat, ist doch das Ziel erreicht und man kann seinen Tätigkeiten weiter nachgehen. Ich denke, dass man sich einfach selbstsicher geben muss.

Mir ist noch etwas zur Breath-Holding-Methode eingefallen. Zu Anfang habe ich mir in der Kabine auch immer die Ohren zugehalten, damit ich mich besser konzentrieren kann. Man muss dann halt gut zielen können. Später war das dann überflüssig, da ich mich an die üblichen Umweltgeräusche gewöhnt habe.

Schönen Abend noch ;)
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IchWill
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Beitrag von IchWill »

Junger Mann,

ich widerspreche dir entscheidend: wir sind NICHT alle gleich gestrickt und das, was für dich gut ist oder bei dir funktioniert, muss nicht für alle gelten. Ich, mitte 40, habe z.B. schon Hemmungen alleine dabei, an öffentliche Toiletten zu denken: Kabinen sind für mich keine Erfolgsgarantie und an Urinale ist nicht zu denken. Ich schau IMMER, dass ich zwischendurch nach Hause komme, was oft unpraktisch und sehr zeitraubend ist.

Vielleicht bringt dich dein neues Selbstbewusstsein vorwärts...
easy
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Beitrag von easy »

Ebenfalls junger Mann,

stimmst du mir nicht zu, dass das Kernproblem genau dasselbe ist, es aber durchaus verschiedenartig entstehen kann? Wir haben uns frei nach der klassischen Konditionierung verhaltensweisen in entsprechender Situation angeeignet, die es "umzuprogrammieren" gilt.

Ich denke, dass es von entscheidender Bedeutung ist einfach mal mutig zu sein und sich nicht von Paruresis kontrollieren zu lassen. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass du mit 40, wenn man mal annimmt, dass du wie viele hier schon seit der Pubertät an Paruresis leidest, schon sehr viel Leid durchmachen musstest. In diesem mittelhohen Alter ist es auch sehr schwer diese eingeprägten Verhaltensmuster abzulegen. Ich merke auch, dass dich mein Beitrag leicht gereizt hat, weshalb ich mich für Missverständlichkeiten entschuldigen muss. Aber ich will nur Mut und Zuversicht verbreiten. Du kannst doch nicht dein ganzes Leben damit weiterleben?

Ich verstehe nicht wieso du das Selbstbewusstsein so herablassend kommentierst. Die Lösung des Problems hat genau damit zu tun. Das ist das Stichwort, was man vielen Erfolgsberichten entnehmen kann. In diesem Sinne sehe ich mich genauso angegriffen, wie du dich durch meinen Beitrag.

Ich würde aber dennoch gerne weiter darüber diskutieren. Schönen Abend.
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IchWill
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Beitrag von IchWill »

So, so... Der sehr (*grins) junge Mann möchte weiter diskutieren.... Gut!

Natürlich sind mir deine Ausführungen nicht ganz fremd und sicher auch nicht alle als Angriff zu bewerten, so wie auch nicht meine in Bezug auf dein Selbstbewusstsein. Ich bin davon überzeugt, dass ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein hilft, schon alleine deswegen, weil wir weniger oder keine "falschen Gedanken" denken. Ich habe sogar überlegt, ob ich eine Umfrage dazu starte: wie selbstbewusst sind Paruretiker? Wie stark fühlt sich ein Paruretiker?

... und daher meine Entschuldigung an dich, was dein Selbstwertgefühl betrifft.

Schönen Abend dir auch!
easy
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Beitrag von easy »

Dann sind wir ja wieder im Reinen miteinander :wink:

Was interessant ist, ich habe einem sehr guten Freund vor einiger Zeit von meinem Problem erzählt. Unzwar mehrmals. Das Lustige ist nun, dass er es von Mal zu Mal vergessen hat, dass ich es ihm erzählt habe und er es überhaupt nicht schlimm fand. Ich würde ihn als sehr selbstbewusst und Überallpinkler beschreiben. Er pinkelt echt so wie ihm sein bestes Stück gewachsen ist. Durch solche offenen Gespräche habe ich erkannt, dass mein Problem eigentlich garnicht so schlimm ist, wie ich es immer angenommen habe. Ich denke auch oft an Situationen in meiner Kindheit, wo ich unbeschwert urinieren konnte. Das schenkt mir Zuversicht und Selbstbewusstsein. Ich habe für mich persönlich beschlossen, dass ich mich durch sowas (für mich) Lächerliches nicht aufhalten lassen will. Es ist richtig, dass man bei sowas auf keinen Fall pauschalisieren soll. Aber ich fand es beispielsweise immer sehr interessant hier im Forum zu lesen und wollte deshalb meinen Beitrag für das Archiv leisten. Ich habe versucht meine Herangehensweise so gut wie möglich zu beschreiben und würde sehr sehr gerne weitere Tipps hören.

Ich sehe das ganze sehr objektiv, was vielleicht mit meinem niedrigen Alter zu tun haben könnte und meinem vergleichsweise kurzen Leidensweg.

Bitte schildert mir eure Situationen genauer. Ich bin gespannt :)
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