and the wind cries merde...

Hier gibt es alles zum Thema psychische Entleerungsstörung
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Rolf
Poweruser
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Registriert: 30. März 2004 19:21

and the wind cries merde...

Beitrag von Rolf »

Hallöchen, habe immer mal wieder im www geschaut, ob diese Art Harnverhaltung irgendwo angesprochen wird, ohne Erfolg. Dabei lag es nur an meinen Suchbegriffen (oder an meiner halbherzigen Suche). Nun habe ich gleich mal alle postings verschlungen und mich eingeschrieben. Es wäre ganz furchtbar für mich, wenn jemand von euch „eine Pille“ erfindet – und ich krieg's nicht mit!

Bin erstaunt, wie viele betroffen sind – aber wer redet schon gern über das, was sich der Kontrolle entzieht. Um das geht es doch im Kern, oder? Begonnen hat das bei mir so früh, dass ich das nicht mal ansatzweise festmachen kann. Inzwischen gut 50 kann ich euch keine Tipps oder so geben, das würde ich so gern, vor allem den Jungen hier: Sich hier einzuschreiben sehe ich als guten Ansatz - ob ich mich das mit 17 getraut hätte?

Noch was, was mich verwundert. Es sind so viele (auch ganz verschiedene) Ursachen von euch benannt, dass ich fast behaupten möchte, wenn diese Krankheit (mir fällt kein besserer Begriff ein) Beulen in der Kniekehle erzeugen würde, dann hätten wir genau solche. Das Ding sitzt tief, das ist sicher. Wieso die Blase betroffen ist, könnte zu einem guten Teil das vegetative Nervensystem ursächlich sein. Könnten wir entspannen, tät's laufen. Erregung des Sympaticus wirkt sich oberhalb des Zwerchfells aus, des Parasympaticus unterhalb. Das ist wie im Auto Gas geben und bremsen gleichzeitig.

Von den familiären und gesellschaftlichen Ursachen konnte ich hier schon mehr lesen, als ich mir Gedanken gemacht hatte, vielen Dank dafür. Bücher kenne ich keines über das Thema, weiß auch nicht, ob man sich das antun sollte. Egal, jedenfalls hat sich das bei mir zu einem voll konkreten Selbstläufer gemausert.
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Willi
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Registriert: 30. März 2004 21:19
Wohnort: Nähe Köln

52er grüßt 50er

Beitrag von Willi »

Hallo Rolf,

ich freue mich, dass ich hier auch mal jemanden fast gleichen Alters treffe. Die Jüngeren scheinen doch etwas mutiger bzw. offener bezüglich eines Outings zu sein.

Oder kann es sein, dass die älteren bei dem Problem Paruresis schon resigniert haben?

Mir geht es genauso wie Dir, gerne würde ich den Jüngeren einen Rat geben, aber 40 Jahre Kampf haben mich nur wenige Schritte weitergebracht.

Trotzdem möchte ich einige Empfehlungen loswerden.

1. Eine Therapie bei Dr. Hammelstein, Uni Düsseldorf
2. Offenheit gegenüber den nächsten Menschen. Man ist meist überrascht über das Verständnis und das Einfühlungsvermögen. Die schlechten Erfahrungen habe ich eher in der Kindheit gemacht, als es noch um Männlichkeit und ähnlichem Quatsch ging. Ich wurde ausgelacht und verarscht.

Daher kommt wahrscheinlich die Angst, über das Problem zu reden und es ständig zu verbergen. Es könnte halt peinlich werden, daher werden die Vermeidungstaktiken immer phantasievoller.

Ich habe es erst vor 4 Jahren gewagt, meinem Hausarzt davon zu erzählen, danach einem Psychotherapeuten, danach meiner Lebensgefährtin. Vor einem Jahr habe ich das erste Paruresis-Forum www.paruresis.de gefunden und erst seidem weiß ich, dass ich nicht alleine mit dem Problem bin. Weder mein Hausarzt, noch ein Urologe, noch der Psychotherapeut hatten jemals von dem Problem gehört.

Seitdem ich die Paruresis-Foren lese, habe ich meine Einstellung und mein Verhalten wesentlich geändert. Ich sehe das Ganze nicht mehr so verbissen und genieße langsam wieder Sachen, die ich lange vermieden habe.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf, trotz des hohen Alters, eine Besserung meines Problems zu erreichen. Ich habe einfach nur zu spät damit angefangen.

Bis bald!

Willi
Rolf
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Registriert: 30. März 2004 19:21

Beitrag von Rolf »

Hallo Willi,

vielen Dank für Deine erfrischende Antwort! Dass uns die Haare recht lange halten bleiben. Die Jüngeren sind offener und bedienen sich natürlich des Internet intensiver wie wir. Den Link von Dir habe ich mal besucht, doch die Seiten der Uni schaue ich später mal an, Düsseldorf ist einfach zu weit entfernt, als dass ich das in Anspruch nehmen könnte – mal sehen.

Klar, wir sind spät dran mit Probleme lösen, manchmal sehe ich keinen Ausweg. Paruresis ist aber nur eines unter anderen. Allerdings ein besonders lästiges. Nach einem schlimmen Erlebnis mußte ich zusätzliche „Macken“ aushalten, wie z.B. eine mir bis dahin unbekannte Höhenangst. Bereits oben in zweistöckigen Eisenbahnwägen wurde mir schwindlig und ich bekam dieses berüchtigte Mißgefühl in der Magengrube. Ohne Vermeidungstaktiken geht dann gar nichts mehr, und man sollte diese für sich erfinden und anwenden, wo immer das möglich ist.

Spät dran sein bedeutet sicher auch, dass es sich eben um Dinge handelt, die weit zurück liegen. In meinem Elternhaus gab es nur eine einzige Tollette, die zwangsläufig von allen Parteien benutzt wurde. Vermutlich aus Bequemlichkeit meiner Eltern mußte ich alle „großen und kleinen Geschäfte“ auf dem Topf unter dem Tisch (soviel privates durfte noch sein) machen, egal ob Besuch da war oder was immer. Gleichzeitig wird dir Anstand beigebracht! Nicht mal Hunde werden so dressiert...

Die eigentliche Schwierigkeit beim Loswerden (loslassen!) von so altem Zeugs ist doch, dass das alles schon gar nicht mehr wahr ist. Um die ursächlichen Widersprüche wurden nach und nach Mäuerchen gebaut, die vom Kopf ausgehend irgendwann so manifest wie eine tragende Wand deines Wohnzimmers sind. Und diese Unterscheidung zu heutigen Vermeidungstaktiken ist mir wichtig. Packe ich die Gespenster von damals zu schnell an, komme ich ganz flott zur Frage: „Wie gewöhne ich meiner Schildkröte das Rauchen ab?“ :twisted:

Tja, und heute wird alles schneller und perfekter und niemand kann mir sagen, was dann besser sein soll. Nicht gerade förderlich für ein überlegtes Angehen der Sache!


Viele Grüsse

Rolf
Claudia
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Registriert: 9. März 2004 17:53
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Beitrag von Claudia »

@Rolf: ich habe deinen Text jetzt mehrmals gelesen, aber beim besten Willen, dass mit der Schildkroete und dem rauchen aufhoeren check ich net. :?: irgendwie fehlt mir da der zusammenhang. ueber Aufklaerung waere ich dir dankbar. :D
gruesse,
claudia
Rolf
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Beitrag von Rolf »

@Claudia: hast du schon mal ne Schildkröte rauchen sehen? Anders fällt mir der Holzweg, auf den ich schnell komme, recht schwer zu beschreiben. Einteils weiß ich, was bei mir schon alles schief gelaufen ist, es mir auf einer verstandesmäßigen Ebene also klar ist - nur kann ich es nicht „fassen“, es zerrinnt mir die Erkenntnis zwischen den Fingern. Übrig bleibt die Frage, wieso es mir dabei so mies geht. Wer weiß, vielleicht ist es tatsächlich so, wie schon etliche hier empfohlen haben, dass das nicht alleine anzugehen ist, und deswegen eine Therapie anfangen. Bei dem Gedanken schüttelt es mich auch schon wieder :roll:
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