Meine Geschichte/mein Zusatzproblem - kennt das jemand?

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Chiara
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Meine Geschichte/mein Zusatzproblem - kennt das jemand?

Beitrag von Chiara »

Hallo zusammen,

bin neu hier und weiss nicht, ob ich hier richtig bin. Wahrscheinlich ist mein Problem mit dem Pinkeln einerseits mit den Geschilderten hier vergleichbar. Ich habe aber auch große Angst, dass Ihr mich wegen meines „Zusatzproblems“ für abartig oder pervers haltet. :oops: Wegen dieses „Zusatzproblems“ ist es mir auch sehr peinlich in meiner Therapie davon zu berichten.
Lange Vorrede – versuche mal konkreter zu werden.
Mein Problem trotz voller Blase, vor allem an öffentlichen Orten, nicht pinkeln zu können besteht seit meiner Kindheit. Ich bin durch eine Körperbehinderung auf Hilfe bei Toilettengängen angewiesen und habe ein Gymnasium mit Nachmittagsunterricht besucht. Das heißt, ich wurde um 7 Uhr morgens von einem Fahrdienst bei meinen Eltern abgeholt und um 17 Uhr wieder nach Hause gebracht. Wenn ich in dieser Zeit auf die Toilette musste, sollte ich Lehrer fragen, was mir total peinlich war.
Ich habe morgens ganz wenig und in der Schule gar nix getrunken, um diese peinliche Situation zu vermeiden. Wenn ich es doch nicht vermeiden konnte, habe ich mich sozusagen in letzter Sekunde im Lehrerzimmer gemeldet. Ich hatte dann große Angst, es nicht mehr bis zum Klo zu schaffen (es dauerte oft so lange bis die Lehrer mir die Hose runter gezogen hatten. Schlimm fand ich auch, dass die Lehrer vor der Tür stehen bleiben mussten (ich konnte die Tür ja nicht abschließen). Einmal hat ein Lehrer gesagt „Das war aber dringend“, ab da war für mich alles aus.
Ich habe total Angst dass jemand hört, wie ich pinkel. Mir ist es peinlich, dass auf diese Weise andere Menschen mitkriegen, wie voll meine Blase ist. Nach diesem Erlebnis habe ich die wartenden Lehrer vor der Toilettentür weg geschickt. Es gab aber nur je eine Toilette für Männer und Frauen im Lehrerzimmer, so dass ohne „Bewacher“ vor der Tür, Lehrer einfach rein kamen. Ich hab während ich pinkelte immer auf Schritte gelauscht, um den Urinfluss rechtzeitig anzuhalten und „besetzt“ zu rufen. Dieses Anhalten mittendrin war total schmerzhaft, und oft konnte ich danach trotz voller Blase nicht mehr locker lassen und weiter pinkeln.
Wie gesagt, ich bin am liebsten in der Schule gar nicht aufs Klo gegangen.
Wenn ich dann aber nach Hause kam, hatte ich solche Schmerzen durch die überdehnte Blase. Trotzdem brauchte ich dann oft Stunden und mehrere Toilettengänge bis meine Blase leer war. Außerdem war mir meine übervolle Blase auch vor meinen Eltern peinlich. Bei uns war es üblich, dass andere Familienmitglieder ins Bad kamen, wenn einer auf der Toilette war, aber für mich war es der absolute Horror, wenn sie mitbekamen, wie ich mich erleichterte. So war auch zu Hause pinkeln für mich ein Problem.
Inzwischen lebe ich mit Helfern in einer eigenen Wohnung. Damit ich zu hause pinkeln kann, müssen immer zwei geschlossene Türen zwischen mir und dem Helfer sein. Er darf in dieser zeit auch nicht in der Wohnung umherlaufen z.B. in die Küche gehen. Da meine Helfer diese Regel verständlicherweise nicht nachvollziehen können, bin ich mir nie sicher, ob die 2 Türen wirklich geschlossen bleiben. Pinkeln ist also für mich ein Dauerproblem, ob zu hause oder an öffentlichen Orten. Es wühlt mich auch sehr auf mitzubekommen, wenn meine Helfer zur Toilette gehen. Es macht mich neidisch zu merken, dass für sie etwas so einfach ist, was für mich so schwer ist. Irgendwie komm ich nur mit Helfern klar, die möglichst selten auf die Toilette gehen. Weil ich erst recht nicht mehr pinkeln kann, wenn ich merke wie einfach sie sich das erlauben. Ich hatte mal eine Helferin, die das immer ganz offen erzählt hat, dass sie dringend muss, wenn wir z.B. vom Spaziergang nach hause kamen. Mir war das voll peinlich, dass sie so offen darüber spricht, vor allem, wenn ich auch eine volle Blase hatte. Ich würde so was nie sagen. Ich hab nach solchen Spaziergängen dann auch zu Hause mit voller Blase auf dem Klo gesessen und konnte nicht pinkeln, während sie es mit einem Seufzer der Erleichterung plätschern ließ.
Jetzt kommt (endlich) mein Zusatzproblem: Obwohl es mir total schwer fällt, wenn andere mitkriegen, dass ich dringend muss, erregt mich die Vorstellung dies von anderen zu wissen total. Wenn meine Helferin gesagt hat, dass sie so dringend muss, dass sie sich gleich in die Hose macht, hat das so ein zwiespältiges Gefühl in mir ausgelöst, eine Mischung aus Neid (weil es mir selbst auch so ging, ich es aber – im Gegensatz zu ihr - nicht laufen lassen konnte) und Erregung. Damals als Schülerin auf der Lehrertoilette hatte ich auch einerseits diese Angst, dass mir jemand beim pinkeln zuhört, oder gar in die nicht abgeschlossene Toilette reinkommt, während ich es laufen lasse. Gleichzeitig habe ich, gerade weil bei mir trotz voller Blase nichts lief, neidisch dem Plätschern und den eindeutigen Äußerungen/Seufzern der Erleichterung auf der Männertoilette nebenan gelauscht.
Als erwachsene Frau erregt es mich heute, mir Videos von Männern und Frauen anzusehen, die dringend pinkeln müssen, aber keine Möglichkeiten finden, und es dann notgedrungen gegen ihren Willen laufen lassen. Nun wäre meine Vorliebe andere pinkeln zu sehen, ja kein Problem. Natursektspiele sind ja weiter verbreitet als man denkt, aber in Kombination mit meinem Problem, es selbst laufen zu lassen, ist mir das voll peinlich.
Wenn es mir selbst wichtig ist, beim Pinkeln 1000% Privatsphäre zu haben, wie kann es mich dann erregen, anderen dabei zuzusehen/zuzuhören?
Sehe da ein doppeltes Problem. Einerseits: wie kann ich mein Problem mit dem nicht pinkeln können in den Griff bekommen, wenn das auch noch mit subtiler Erregung verbunden ist?
Andererseits: Kann ich meine sexuelle Vorliebe irgendwie z.B. durch eine Psychotherapie umpolen? Werde ja im Bereich der Wasserspiele auch schwer jemanden finden, der für mich pinkelt, während das Umgekehrte für mich ein totales Problem ist.
Puh :roll: ,das war jetzt sehr lang und sehr offen, hoffe, ich war nicht zu offen.
Sollte sich jemand bis hier hin durch meine Geschichte geackert haben, würde es mich interessieren, ob jemand auch diese seltsame Mischung kennt, es selbst nicht laufen lassen zu können, aber gleichzeitig vom anhaltenden Pinkelfluss bei anderen Menschen angetörnt zu sein?
Danke fürs Lesen und evt. Antworten.
Viele Grüße :wink:
tom20
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Beitrag von tom20 »

Hallo Chiara!

Erstmal, niemand hier findet dich "pervers" wegen deiner sexuellen vorlieben. Ich denke, fast jeder Mensch hat die eine oder andere sexuelle Vorliebe bzw. Fantasie, die nicht der "Norm" (was immer das auch heißen mag) entspricht. Das ist weder pervers noch schlimm noch problematisch. Und daher war dein beitrag auch nicht "zu offen", im gegenteil, ich finde es bewundernswert, wenn jemand so ehrlich und offen ist.

Falls es dich interessiert, es gibt bereits einen thread von einer person, bei der es ganz ähnlich ist, auch sie hat paruresis und findet es gleichzeitig erotisch, wenn andere menschen urinieren, hier:

http://www.paruresis.de/phpBB2/viewtopic.php?t=773

nun, also das ist tatsächlich eine knifflige situation. Also zunächst mal, einerseits ist deine geschichte in vielerlei hinsicht typisch (schlechte erfahrungen in der schule, das vermeiden von trinken während der schulzeit, das ging mri auch so), andrerseits aber kommt bei dir eine besondere spezifik dazu. kann mir gut vorstellen, dass sich da probleme entwickeln, wenn du immer hilfe brauchst beim urinieren. wenn ich dich richtig verstehe, ist dein hauptproblem die dringlichkeit. Du findest es schlimm, wenn leute wissen, dass du eine volle blase hast und dringend pinkeln musst, richtig? kannst du sagen, warum das so ist? also was genau ist daran so furchtbar? zumal du ja, wie du shreibst, beispiele von anderen leuten kennst, die kein problem haben, das zu äußern, und dir ist ja auch bewusst, dass das etwas ist, was jeder oft verspürt, also eine volle blase, großen blasendruck, warum ist es dir bei dir so peinlich?

und du musstest also immer auf der lehrertoilette pinkeln?

Also erstmal würde ich dir raten, mit deinen helfrn über das problem zu reden. Das ist vllt nicht einfach, aber ich denke, wenn du es ihnen genau erklärst und dabei so offen bist wie hier, werden sie das denke ich durchaus verstehen. ich denke du kannst ihnen das schon beibringen und dich dann auch darauf verlassen, dass sie verständnisvoll sind und die türen auch wirklich beide schließen, denkst du nicht?

"Nun wäre meine Vorliebe andere pinkeln zu sehen, ja kein Problem. Natursektspiele sind ja weiter verbreitet als man denkt, aber in Kombination mit meinem Problem, es selbst laufen zu lassen, ist mir das voll peinlich."

-aber das muss es doch nicht! es mag dir vllt besonders absurd scheinen, dass du auf natursekt stehst, während du selber an paruresis leidest, aber das ist es nicht. ich denke da solltest du beide sachen trennen. Es ist nunmal so, kein grund das dir das peinlich sein sollte.

es ist höchstens in dieser hinsicht ein problem:

"Sehe da ein doppeltes Problem. Einerseits: wie kann ich mein Problem mit dem nicht pinkeln können in den Griff bekommen, wenn das auch noch mit subtiler Erregung verbunden ist?"

-erregt es dich denn auch, wenn du selbst dringend pinkeln musst?

"Andererseits: Kann ich meine sexuelle Vorliebe irgendwie z.B. durch eine Psychotherapie umpolen?"

-erstens wäre das glaube ich ziemlich schwierig und 2. halte ich das prinzipiell für eine schlechte idee. Man sollte nie versuchen, eigene sexuelle wünsche, die man als unnormal oder rpoblematisch empfindet (und die vllt wirklich ein bisschen verzwickt sind, wie in deinem fall), umzupolen, sondern versuchen, dazu zu stehen und einen vernünftigen umgang damit zu finden. (einzige ausnahme sind sexuelle vorlieben, die anderen menschen schaden zufügen, (z.B. vergewaltigungsphantasien), da sollte man dann definitiv was dagegen tun, aber das ist bei dir offensichtlich nicht im geringsten der fall).ich denke daher, du solltest also nicht deine sexuelle vorliebe bekämpfen, sondern deine paruresis und die damit zusammnhängenden neidgefühle gegen andere menschen, die einfach so pinklen können.

"Werde ja im Bereich der Wasserspiele auch schwer jemanden finden, der für mich pinkelt, während das Umgekehrte für mich ein totales Problem ist. "

-sei doch mal nicht so pessimistisch. wieso sollte das nicht der fall sein? wenn du dein problem erklärst, denke ich durchaus dass das möglich ist. und wie gesagt, wenn du an der paruresis arbeitest, kannst du sie vllt überwinden oder zumindest ein stück weit, so wie das vielen hier schon gelungen ist.
Zuletzt geändert von tom20 am 8. November 2010 08:21, insgesamt 1-mal geändert.
Chiara
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Beitrag von Chiara »

Lieber Tom,
vielen Dank für Deine ausführliche Antwort und den Link. Werde in den nächsten Tagen in Ruhe ausführlich darauf eingehen. Freu mich erst mal, dass ich trotz dieser seltsamen Verwicklung hier aufgenommen bin :D und wünsche Euch allen eine gute Nacht.
Bis bald!
Chiara
Rolf
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Beitrag von Rolf »

Hi Chiara,

es gibt sogar Leut, die lassen sich lieber schlagen, bevor sie Zuwendung annehmen. Der oberflächigste Grund dafür ist der Umstand, dass der „Zuwender“ seine „Leistung“ an Bedingungen knüpft (die obendrein vllt. nicht mal im Sinne des „Beschenkten“ liegen). Deswegen halte ich es für mich nicht so sehr mit der Wirklichkeit, denn die sieht sowieso anders aus, als wir beide uns die denken (hinterher jedenfalls).

Anders gesagt hört die Freiheit da auf, wo man tätig wird. Bewahre Dir also Deine Phantasien und sei froh welche zu haben. Auch ich bin der Ansicht, sexuelle Neigungen lassen sich nicht weg therapieren (in den meisten Fällen wozu auch). Man kann ihnen, wenn es sein muss, ordnend begegnen. Und dass man deswegen kaum besser oder schlechter pinkelt ist klar: Sitz und Doppelfunktion der Organe lassen was anderes wohl kaum zu.

LG Rolf
Svenja
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Beitrag von Svenja »

Hallo Chiara!
Ich habe total Angst dass jemand hört, wie ich pinkel. Mir ist es peinlich, dass auf diese Weise andere Menschen mitkriegen, wie voll meine Blase ist.
Wow! Wenn Du mal meine vorherigen Postings liest, ist es genau das gleiche Phänomen wie bei mir. :cry:

Wenn man mal fragen darf: Was für eine Behinderung ist das bei Dir? Bist Du Rollstuhlfahrerin? Ist das bei Dir dauerhaft so, dass Du eine Begleitperson brauchst, um aufs Klo zu gehen? Die Frage soll hier nicht peinlich sein, sondern soll uns ein genaues Bild über Deine Situation vermitteln. Entscheidend kann auch sein, ob die Behinderung angeboren ist oder ob sie erst später entstanden ist.

LG Svenja
chef1
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...nackt..

Beitrag von chef1 »

...ich hatte immer Schwierigkeiten gemeinsam mir anderen zu duschen z.B. beim Sport oder auch nur umzukleiden. Mich hat das immer so besonders geärgert und trotzdem hätte/habe ich immer gerne zugesehen. Pervers?
Die Diskrepanz macht das Problem: Selbst nicht tun (können) was andere
ohne weiters tun (können)...das trifft auf Paruresis zu!
LG
Chiara
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Beitrag von Chiara »

Hallo,
erstmal vielen Dank für Eure Rückmeldungen. Ich will mal versucvhen zu antworten. Wenn ich nicht auf alles eingehe, bitte ruhig nochmal nachfragen. Hab heut nachmittag einen Zahnarzttermin (Wurzelbehandlung) und bin deshalb vielleicht nicht so ganz konzentriert. Ist fast ein neues Thema, Angst vor Ärzten, die hab ich auch noch :(
Aber jetzt erst mal @ Tom
wenn ich dich richtig verstehe, ist dein hauptproblem die dringlichkeit. Du findest es schlimm, wenn leute wissen, dass du eine volle blase hast und dringend pinkeln musst, richtig? kannst du sagen, warum das so ist? also was genau ist daran so furchtbar? zumal du ja, wie du shreibst, beispiele von anderen leuten kennst, die kein problem haben, das zu äußern, und dir ist ja auch bewusst, dass das etwas ist, was jeder oft verspürt, also eine volle blase, großen blasendruck, warum ist es dir bei dir so peinlich?
Das hast Du gut zusammengefast genauso ist das. Ich schäme mich total, wenn andere Menschen mitkriegen, wie dringend ich pieseln mus
-erregt es dich denn auch, wenn du selbst dringend pinkeln musst?
Ich bin mir nicht wirklich sicher, bin auch kein Psychoanalytiker, aber nachdem ich mich viel damit beschäftigt habe, bin ich auf folgende Theorie gekommen. Eigentlich ist pinkeln für mich was sehr Privates, bei dem ich meine Ruhe haben möchte, und sie anderen Menschen eigentlich auch lassen möchte. Daher ist es mir auch sehr peinlich, dass ich es erregend finde, anderen zuzuhören, wenn sie dringend pinkeln müssen. Ich raube anderen Menschen - zumindest in der Phantasie - das was ich selbst am dringensten brauche, damit komme ich nicht klar. Ich möchte das ja bei mir auch nicht, sondern im Gegenteil, ich brauche 2 Türen zwischen mir und anderen, um es laufen lassen zu können. Ich glaube ich hatte zu meinem eigenen Pinkeln immer ein zwiespältiges Verhältnis. Einerseits fand/finde, es schon immer sehr schön in Ruhe den Druck los zu werden, wenn ich dringend muss. Es hat mich was Erleichterndes, was von sich Gehenlassen. Und sich Gehenlassen ist für mich was sehr Privates. Durch meine Körperbehinderung (Sauerstoffmangel bei der Geburt) bin ich Rollifahrerin, und bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens auf Hilfe angewiesen. Dadurch gab es für mich diese gewünschte Intimität/ Privatheit nie. Im Gegenteil: ich habe sogar sehr demütigende Sachen diesbezüglich erlebt. Z:B. dadurch das ich versucht habe in der Schule möglichst gar nicht, und wenn, dann mich erst in letzter Sekunde von Lehrern auf die Toiletten setzen zu lassen, musste ich so dringend, das es entweder gar nicht lief, oder (zwar selten, aber trotzdem voll peinlich), noch bevor die Lehrer das Klo verlassen hatten. Außerdem hatte ich immer Angst, dass ich schon auf dem Weg zum Klo in die Hose mache (zum Glück ist das nie passiert, aber ich war oft kurz davor). Ich glaube irgendwann habe ich angefangen, diese peinliche Notsituation (vor allem bei anderen) zu erotisieren. So erkläre ich mir, dass es mich erregt, zu wissen, dass andere dringend pinkeln müssen, aber gerade nicht können bzw. dürfen. Es gibt zu derartigen (sexuellen) Vorlieben ja entsprechende Seiten im Internet z.B. (female) pee desperation.
Auch wenn ich es erklären kann, ich glaube, für mich war es nicht gut, dass ich anfangen habe, eine/meine Notlage zu sexualisieren. Solange die Notsituation nicht pinkeln zu können was erregendes/sexuelles hat, ob bei mir selbst oder anderen, werde ich, fürchte ich, nicht unbeschwert pinkeln können :cry: Muss erst mal Schluss machen, der Zahnarzt ruft.
LG[
tom20
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Beitrag von tom20 »

hallo chiara,

hoffe, du hast deinen zahnarzttermin einigermaßen gut überstanden...

"Ich raube anderen Menschen - zumindest in der Phantasie - das was ich selbst am dringensten brauche, damit komme ich nicht klar"

-naja, ich verstehe dich schon, möchte aber nochmals sagen, dass ich das nicht so schlimm finde. Für die paruresis brauchst du dich nicht zu entschuldigen, im gegenteil, das ist eben ein leiden, dass du hast, und andere sollten darauf rücksicht nehmen. Dass du gleichzeitig es anziehend findest, andere wahrzunehmen, die pinkeln müssen, ist doch an sich nicht schlimm - wenn sie keine paruresis haben, ist das für sie ja nicht schlimm. es ist doch unsinnig, hier eine abstrakte "gleichbehandlung" einzufordern von dir. menschen sind eben individuell und verschieden. von daher sehe ich es - solange das eben auch für die jeweilige anderen menschen ok ist - überhaupt nicht als schlimm an, wenn du für dich hier eine besondere rücksicht beanspruchst, die du anderen vllt nicht unbedingt gewähren willst. und wie gesagt, die meisten menschen haben ja keine paruresis und finden es daher auch überhaupt nicht shclimm, wenn du mitkriegst, dass sie pinkeln/pinkeln müssen (z.b. die eine helferin, von der du erzählt hast, dass sie immer offen gesagt hat, wenn sie dringend pinkeln muss).

"Einerseits fand/finde, es schon immer sehr schön in Ruhe den Druck los zu werden, wenn ich dringend muss. Es hat mich was Erleichterndes, was von sich Gehenlassen"

-sicher, ist ja auch angenehm ;). gerade wenn man paruretiker ist und oft unter blasendruck leidet.

"Und sich Gehenlassen ist für mich was sehr Privates."

-das kann ich verstehen, man sollte sich aber fragen, warum das eigtl so ist, und noch wichtiger, ob das sinnvoll ist. Die Gesellschaft ist so konstituiert, dass es quasi eine öffentliche und eine private sphäre gibt, und in der öffentlichkeit hat man haltung anzunehmen, diszipliniert zu sein, körperliche bedürfnisse zu unterdrücken. das macht in den meisten fällen überhaupt keinen sinn und ist schädlich für körper und geist der menschen, aber das ist ein anderes feld. ich meine nur, wenn dir das pinkeln so privat vorkommt, solltest du versuchen, diesen gedanken mal etwas aufzubrechen. das ist ja eigentlich bei allen paruretikern so.

hm, ja das ist hart, was du da erleiden musstest. Das ist natrülich nochmal eine ziemlich verschärfung der allgemein schon problematischen lebenssituation eines paruretikers bzw. einer paruretikerin.

"Ich glaube irgendwann habe ich angefangen, diese peinliche Notsituation (vor allem bei anderen) zu erotisieren. So erkläre ich mir, dass es mich erregt, zu wissen, dass andere dringend pinkeln müssen, aber gerade nicht können bzw. dürfen."

-ja, also ich bin auch kein experte für psychologie ;), aber das klingt plausibel

"Auch wenn ich es erklären kann, ich glaube, für mich war es nicht gut, dass ich anfangen habe, eine/meine Notlage zu sexualisieren."

-naja, das kann man so schlecht sagen. es macht vllt einiges komplizierter, aber es ist nun einmal so und ich denke es ist kein unlösbare problem.

"olange die Notsituation nicht pinkeln zu können was erregendes/sexuelles hat, ob bei mir selbst oder anderen, werde ich, fürchte ich, nicht unbeschwert pinkeln können "

-bist du dir da sicher? meinst du nicht, dass du unabhängig davon gegen die paruresis angehen kannst? kann sein, dass dann vllt deine neigung schwindet oder schwächer wird, aber gut, dass scheinst du ja in kauf nehmen zu wollen. Aber, ums mal so zu formulieren: Wenn es da einen Widerspruch zwischen deinem Wunsch, unbeschwert pinkeln zu können einerseits und deiner sexuellen vorliebe für diese situation andererseits gibt, solltest du, denke ich, vllt diesen eher so lösen, dass du dich auf die paruresis fokussierst und versuchst, diese zu bekämpfen, statt dich auf deine sexuelle vorliebe zu konzentrieren und zu versuchen, diese abzutöten. verstehst du, was ich meine?
Chiara
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Beitrag von Chiara »

Hi Tom,
ja meinen Zahnarzttermin hab ich überraschend gut überstanden (die Zahnärztin hat mir eine Spritze gegeben, und dann hat es kaum noch weh getan. Bisher denke ich immer, das war nur zufällig, beim nächsten Mal tut es bestimmt wieder weh. Vielleicht lerne ich ja mal zu glauben, dass es in der Regel nicht weh tut dank der heutigen Betäubungsmittel. Na ja, nächste Gelegenheit zu üben habe ich chon bald. Nächster Zahnarzttermin ist am 29.11).
Auch was die Paruresis betrifft hatte ich beim Zahnarzt, ein kleines Erfolgserlebnis :D . Ich müßte ziemlich lange warten, und weil ich so aufgeregt war, hatte ich schon vor Beginn der Behandlung ziemlichen Druck. Da ich Rollstuhlfahrerin bin, kommt bei mir ja immer noch das Problem dazu eine geeignete Toilette zu finden, das macht zusätzl. Stress (*grins* habe hier auch schon nen Thread mit Toilettenempfehlungen gefunden, der hat mich an mein eigenes Suchproblem erinnert.:roll: ) Ich wußte, dass die Toilettentür in der Praxis zu schmal ist, um mit dem Rolli durch zu kommen. Zum Glück gibt es in der Nähe der Praxis ein großes Kino mit Behindertentoilette. Die Ärztin hatte mir gerade die Spritze verpasst, ich wußte das auch die anderen Behandlungszimmer besetzt waren, es würde sich also nochmal hinziehen. Da hab ich all meinen Mut zusammen genommen, und gefragt, ob ich nochmal weg dürfe, um aufs Klo zu gehen. Und für keinen in der Praxis war das irgendwie komisch.
Das war eine schöne Erfahrung für mich.
Die komischen Gedanken so im Stil: Wenn die jetzt nicht warten kann, muss es aber dringend sein, und dringend pinkeln müssen ist irgendwie mit sexuellen Gefühlen, oder zumindest peinlich berührt sein verbunden, diese Gedanken finden nur in meinem Kopf statt, andere Menschen denken nichts Komisches dabei.
"solange die Notsituation nicht pinkeln zu können was erregendes/sexuelles hat, ob bei mir selbst oder anderen, werde ich, fürchte ich, nicht unbeschwert pinkeln können "

-bist du dir da sicher? meinst du nicht, dass du unabhängig davon gegen die paruresis angehen kannst? kann sein, dass dann vllt deine neigung schwindet oder schwächer wird, aber gut, dass scheinst du ja in kauf nehmen zu wollen. Aber, ums mal so zu formulieren: Wenn es da einen Widerspruch zwischen deinem Wunsch, unbeschwert pinkeln zu können einerseits und deiner sexuellen vorliebe für diese situation andererseits gibt, solltest du, denke ich, vllt diesen eher so lösen, dass du dich auf die paruresis fokussierst und versuchst, diese zu bekämpfen, statt dich auf deine sexuelle vorliebe zu konzentrieren und zu versuchen, diese abzutöten.
Ich bin mir nicht sicher, und ich überlege, ob ich vielleicht mal Herrn Dr. Hammelstein frage, ob er eine derartige Verknüpfung kennt, und was er dazu meint.
Ich glaube, eine Schwierigkeit bei dieser Verknüpfung ist, dass ich insgemeim annehme, dass andere Menschen auch so denken und fühlen wie ich. Dass es sie einerseits erregt und gleichzeitig peinlich berührt, wenn sie z.B. auf öffentlichen Toiletten mitbekommen, dass ich mich erleichter (frage mich gerade, warum ich das mich erleichtern/Gehenlassen so erotisiere, vielleicht weil es zu Hause verpönt war, und Verpöntes/Verbotenes gleichzeitig reizvoll ist :?: Vielleicht hätte Herr Freud seine Freude an mir :wink: ).
Für mich wäre das schlimm, wenn andere von einer Sache erregt würden, die für mich total intim und privat ist.
Aber genau das passiert mir ja, wenn ich andere pinkeln höre.
Für die paruresis brauchst du dich nicht zu entschuldigen, im gegenteil, das ist eben ein leiden, dass du hast, und andere sollten darauf rücksicht nehmen. Dass du gleichzeitig es anziehend findest, andere wahrzunehmen, die pinkeln müssen, ist doch an sich nicht schlimm - wenn sie keine paruresis haben, ist das für sie ja nicht schlimm. es ist doch unsinnig, hier eine abstrakte "gleichbehandlung" einzufordern von dir. menschen sind eben individuell und verschieden.
Vielen Dank, Tom, ich glaube über diesen Hinweis werde ich länger nachdenken müssen.
In meinem Leben war mir immer der Spruch wichtig "Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füg auch keinem anderen zu"
Ich hatte immer das Gefühl, bei meinem Pinkelproblem/meiner Pinkelphantasie verstoße ich sozusagen gegen mein Lebensprinzip, und tue anderen Menschen etwas an.
Aber erstens ist es eine Phantasie, und zweitens, wie Du schreibst, Menschen sind verschieden...
Vielleicht ist ja meine Toilettennachbarin sogar eine, die es antörnen würde, wüsste sie von meiner Phantasie...
Vielleicht darf ich den Gedanken loslassen, dass ich anderen Menschen mit meiner Phantasie etwas antue...
Nochmal danke und viele Grüße
Chiara
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Warum immer noch...?

Beitrag von Chiara »

Das ich als Kind/Jugendliche in der Schule keine Intimsphäre hatte - okay, viele Dinge gingen nicht anders, und vielleicht war das der Preis dafür zur damaligen Zeit als Rollifahrerin eine Regelschule zu besuchen.
Aber heute, mit über 40 Jahren, sollte es anders sein, denkt man...hofft man...wohl vergeblich :cry:
Hatte gestern einen Termin bei einem Psychiater, wohl gemerkt in der Ambulanz nicht auf einer geschlossenen Station.
Nun muss der behinderte Menschen ja schon dankbar sein, wenn es überhaupt eine Behindertentoilette gibt. Die gab es dort auch, und eine freundliche Dame an der Anmeldung schloss meinem Helfer und mir auch auf (beside: frage mich warum sie nicht den Euroschlüssel verwenden, der europaweit für fast alle Behinderten WC nutzbar ist). Die Dame von der Anmeldung staunte Bauklötze als ich ihr mitteilte, dass mein Helfer das Klo wieder verlassen wollte, nachdem er mich darauf plaziert hatte. Sowas war nicht vorgesehen, denn die Toilettentür hatte außen keinen Griff zum Öffnen. Ich könne die Tür ja angelehnt :!: lassen, meinte die Dame.
Super, meinte ich, sie würde bestimmt auch gerne bei zum Flur hin offfener Toilettentür pinkeln. Das ist ja schon für einen Nicht - Paruretiker krass. Aber die Zumutung scheint diesbezüglich keine Grenzen zu kennen, selbst jetzt nicht, wo ich erwachsen bin.
Es bleibt schwer, immer wieder, für mich ein Kampf um für andere selbstverständliche Grenzen.
Als "Belohnung" gab es vom Psychiater Tavor. Vielleicht kann ich so wenigstens zeitweise meinen Lebensumständen (und meiner Paruresis :?: ) entfliehen....
Keine Sorge, ich will kein (dauerhaft) benebeltes Leben führen....(dann lieber gar keins)...aber sie - die gesellschaftlichen Zustände - legen es mir oft nahe, und die hilflosen Psychiater schaffen den Ausweg:
"If you can´t change the circumstances of your life, tavor helps you flying to heaven"... but the landing on earth after flying with Tavor is hard...
Rolf
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So viele jahre...

Beitrag von Rolf »

Hallöchi Chiara,

Du wirst mit diesem Mittel P. einfach „vergessen“. Ein Angstproblem löst der Organismus normalerweise entweder auf körperlicher Ebene oder durch Anpassung, z.B. über das Verhalten. Ein solches Mittel nimmt Dir sozusagen die Arbeit ab. Aber wieso bekommst Du diese Substanzen, mit denen dann gleichzeitig therapeutisch nichts unternommen wird?

Das würde mir an Deiner Stelle zu denken geben. Wenn den Therapeuten nix einfällt oder die Umgebung nicht zu ändern ist, wer kommt dann an die Reihe? Also ich selber habe keine Hemmungen dies oder jenes einzunehmen. Das Problem damit ist, die Umwelt und schlimmer auch man selber kriegt die Nebenwirkungen mit. Und schwupps hat man neue Probs mit der alten Geschichte...

CU Rolf
tom20
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Beitrag von tom20 »

Hallo Chiara,


Freut mich, dass dein Zahnarzttermin gut gelaufen ist. Kann deine Angst verstehen, mir ist das auch unangenehm, aber ja, versuch doch einfach, aus der Erfahrung zu lernen und denk dir, beim letzten mal hats nicht wehgetan, also wirds das nächstes mal (also am 29.11.) auch nicht.

Glückwunsch auch zu deinem Erfolgserlebnis. Das war mutig von dir! Weiter so! Ja, sowas sollte ich zur Übung auch mal machen, habs aber so direkt noch nicht. Und du siehst:

"Und für keinen in der Praxis war das irgendwie komisch."

-sorge dafür, dass sich diese Erfahrung in dein Gedächtnis einbrennt!

"Die komischen Gedanken so im Stil: Wenn die jetzt nicht warten kann, muss es aber dringend sein, und dringend pinkeln müssen ist irgendwie mit sexuellen Gefühlen, oder zumindest peinlich berührt sein verbunden, diese Gedanken finden nur in meinem Kopf statt, andere Menschen denken nichts Komisches dabei. "

-vollkommen richtig. Jetz verstehe ich dich ein bisschen besser, du schreibst:

"Ich glaube, eine Schwierigkeit bei dieser Verknüpfung ist, dass ich insgemeim annehme, dass andere Menschen auch so denken und fühlen wie ich. Dass es sie einerseits erregt und gleichzeitig peinlich berührt, wenn sie z.B. auf öffentlichen Toiletten mitbekommen, dass ich mich erleichter"

-Ja, da denke ich kann ich dir ziemlich sicher sagen dass das nicht der Fall ist. Ich denke diese Vorliebe ist nicht allzuweit verbreitet. Du kannst mit Sicherheit davon ausgehen, dass es die meisten Menschen weder erregt noch peinlich berührt, wenn sie mitbekommen, dass du pinkelst, sondern dass es ihnen schlicht und einfach vollkommen egal ist. Aber gerade diese beiden Dinge in Kombination dürften ziemlich selten sein.

"(frage mich gerade, warum ich das mich erleichtern/Gehenlassen so erotisiere, vielleicht weil es zu Hause verpönt war, und Verpöntes/Verbotenes gleichzeitig reizvoll ist Question Vielleicht hätte Herr Freud seine Freude an mir Wink )."

-Ja, ich denke ein großteil aller sexuellen Neigungen entsteht so. Das was einem durch erzieherische Disziplinierung verweigert wurde, wird dann durch die Lust am verbotenen/verweigerten sexuell aufgeladen.

"Vielen Dank, Tom, ich glaube über diesen Hinweis werde ich länger nachdenken müssen.
In meinem Leben war mir immer der Spruch wichtig "Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füg auch keinem anderen zu"
Ich hatte immer das Gefühl, bei meinem Pinkelproblem/meiner Pinkelphantasie verstoße ich sozusagen gegen mein Lebensprinzip, und tue anderen Menschen etwas an."

-ja, das ist ein allgemeines problem. Alel gleich behandeln zu wollen ist auch prinzipiell eine edle Sache, nur muss man dabei eben berücksichtigen, dass diese Gleichheit nicht abstrakt bleiben darf - denn es sind nunmal nicht alle Menschen gleich. Jeder hat seine besonderen Eigenschaften, Fähigkeiten, Bedürfnisse. Eine rein formale Gleichbehandlung von verschiedenen Menschen, von denen doch jeder besonders ist, wird diesen besonderen Einzelnen daher nicht gerecht.
Nun gut dass klang vllt ein bisschen philosophisch aber naja du weißt was ich mein. Also was für die eine Person eine üble verletzung ihrer Privatsphäre ist, kann für die andere angenehm oder einfach völlig banal sein.

Weiterhin:

"Vielleicht darf ich den Gedanken loslassen, dass ich anderen Menschen mit meiner Phantasie etwas antue... "

-Den darfst du nicht nur vllt, sondern ganz sicher loslassen und ich rate dir auch dringend dazu. Deine Phantasie ist in deinem Kopf, damit kannst du überhaupt niemandem etwas antun. In deiner Phantasie ist alles erlaubt. Das du meinst, mit sexuellen Phantasien bzgl. anderer Menschen diesen etwas anzutun, zeigt nur, dass die Diszplinierung in der Gesellschaft bis in die Köpfe der Menschen reicht. Und da sollte sie aber schleunigst verschwinden. Also lass einfach die Gewissensbisse sein, wenn deine Phantasien für dich lustvoll sind, solltest du sie in deinem Kopf auch bedenkenlos ihren Weg gehen lassen. Was di umsetzung in der Realität angeht, das ist natürlich eine wesentlich kompliziertere Frage, aber auch das ist glaube ich in deinem Fall auch nicht so problematisch wie du zu glauben scheinst.

"Vielleicht ist ja meine Toilettennachbarin sogar eine, die es antörnen würde, wüsste sie von meiner Phantasie... "

-das ist natürlich schwierig herauszufinden, aber vllt gibts da entsprechende Foren im Internet?

Ja in der Tat ist es tragisch, dass es noch immer viel zu viele Einrichtungen gibt, die nicht behindertengerecht ausgestattet sind. Und auch das Unverständnis vieler Menschen demgegenüber, wie du das ja beschreibst, ist traurig.

Was genau ist denn dieses Tavor? Hast du es schon ausprobiert? Wie wirkt es?


Hast du es denn dann geschafft, dort, beim Psychiater, zu pinkeln, trotz der schwierigen Situation?
Chiara
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Registriert: 7. November 2010 13:55

Beitrag von Chiara »

Jetzt hatte ich so einen langen Beitrag geschrieben, und dann steht er gar nicht da. Wahrscheinlich nicht richtig abgesendet :(
Glückwunsch auch zu deinem Erfolgserlebnis. Das war mutig von dir! Weiter so! Ja, sowas sollte ich zur Übung auch mal machen, habs aber so direkt noch nicht.
Danke für die Glückwünsche, Tom :D . Ein bisschen einfacher war es dadurch, dass die Toilette "ausgegliedert" war. In der Praxis auf die Toilette gehen wäre für mich viel schwieriger, wahrscheinlich sogar unmöglich gewesen. In diesem Fall war es also gar nicht so schlecht, dass die Toilettentür für den Rolli zu schmal war. Hast Du schon mal gezielt Übungen gegen das Paruresis Problem gemacht? Ich glaube, es so gezielt üben würde mich noch mehr stressen. Ich versuch mir in den Alltagssituationen, in denen ich muss (wäre ja auch nicht so angenehm vor Angst auf den Behandlungsstuhl zu pinkeln) diese Sachen a la Hammelstein zu sagen und gleichzeitig nicht zu viel Erfolgsdruck aufzubauen, also gleich mit einzukalkulieren das es nicht klappt.
Komischerweise klappt es bei mir am wenigsten, wenn mir andere erzählen, dass sie (auch) dringend müssen. Zum Glück wird die Helferin, die mir immer sehr freimütig von der Dringlichkeit ihres Bedürfnises erzählt hat, wegen Schwangerschaft längere Zeit ausfallen, und die männlichen Helfer, die bei mir arbeiten, halten sich mit dem öffentlichen Verkünden entsprechender Bedürfnisse "vornehm zurück". In meiner Familie durften alle, wann immer sie mussten, nur ich nicht, weil es mit mir und dem Toilettengang so komliziert war, bzw. schwer überhaupt eine rollizugängliche Toilette zu finden. Seit dem ist es für mich ein Problem, wenn ich mitkriege dass jemand, mit dem ich unterwegs bin, muss. Ich werde dann irgendwie neidisch und wütend (dass der darf) und kann garantiert selbst nicht, egal wie dringend ich muss.
Habe - wie gesagt - im Moment eine ziemlich gute Phase, was mein Paruresis Problem betrifft, da diese "Zusatztrigger"/Gefahrenquellen z.B. durch die Helferin, die da so offen in ihrer Mitteilung ist, wegfallen. Aber es ist schon schwer, so ein "heimliches zusätzliches Auswahlkriterium" bei meinen Helfern zu haben, also solche, die selbst selten aufs Klo gehen zu brauchen, weil mich das sonst triggert bzw. mein Paruresis Problem verstärkt. Sicher keine Dauerlösung, aber für den Moment eine Erleichterung bei meinem Problem.
Dieser Verknüpfung warum ich nicht/noch schlechter kann, wenn ich weiss, dass andere auch dringend müssen, werde ich auch nochmal auf den Grund gehen müssen. Ist wirklich nur der Neid zu wissen, die erlauben sich was, was ich mir verbiete, und was mich zudem ja auch erregt :oops:, oder steckt da noch was anderes dahinter :?:
Ja in der Tat ist es tragisch, dass es noch immer viel zu viele Einrichtungen gibt, die nicht behindertengerecht ausgestattet sind. Und auch das Unverständnis vieler Menschen demgegenüber, wie du das ja beschreibst, ist traurig.
Krass finde ich vor allem, dass selbst viele klassische Behindertentoiletten nicht für Behinderte mit Hilfebedarf zu nutzen sind. Gerade die automatischen Behindertentoiletten in der Öffentlichkeit funktionieren meistens nach dem Muster: Man schließt mit dem Spezialschlüssel auf und geht mit seinem Helfer rein. Hinter beiden schließt die Tür automatisch. Soweit so gut. Wenn jetzt der Helfer wieder rausgehen will, weil man auch als behinderter hilfedürftiger Mensch beim Pinkeln ungestört sein will, fängt das Problem an: Die Tür öffnet sich automatisch, schließt aber ewig nicht mehr (Logik der automatischen Behindertentoilette: Aha der Behinderte ist raus gekommen. Jetzt Kann ich erst mal offen bleiben :!: ) Als ich diesen Mechanismus noch nicht kannte, sass ich mal in einem Kaufhaus wie auf dem Präsentierteller, die Tür hatte sich automatisch sperrangelweit geöffnet, schloss nicht mehr, und die Toilette war direkt gegenüber der geöffneten Tür :oops:. Es ist immer wieder - auch bei Behinderteneinrichtungen - diese Erfahrung keine Privatsphäre zu haben. Bisweilen sind diese öffentlichen Behindertentoiletten sogar lebensgefährlich. Als ich auf einer Berlinreise mal wirklich dringend mußte, gab es eine solche Toilette, wo das Klo selbst bei geöffneter Tür nicht einsehbar war. Ich dachte irgendwann nachdem der Helfer rausgegangen ist, muss die Tür ja wieder schließen, sonst wären die ganzen Automatentoiletten ja offen. Der Helfer setzte mich also auf die Toilette und ging raus. Nach einer halben Ewigkeit schloss sich die Toilettentür auch endlich, aber gleichzeitig ging das Licht aus. Die Toilette fing an, sich um ihre eigene Achse zu drehen :!: (blieb dank meiner Beine zum Glück bei 90C stehen). Gleichzeitig versuchte sich aus der Rückwand der Toilette etwas über das Toilettenbasin zu schieben, ich musste mich mit ganzer Kraft nach hinten drücken, um nicht von der Toilette geworfen zu werden (die Toilette war , davon ausgehend, dass sich keiner mehr darauf befand in den Reinigungsmodus übergegangen). Und das alles im Dunkeln und bei verschlossener Tür.
Was genau ist denn dieses Tavor? Hast du es schon ausprobiert? Wie wirkt es?
Tavor ist ein Tranquilizier. Es ist ein schnell wirkendes Bedarfsmedikament mit hohem Suchtpotential. Es wirkt beruhigend und angstlösend. Mich macht es vor allem müde. Gleichzeitig wird bei mir auf eine angenehme Art alles irgendwie unbedeutender, unaufgeregter.
Fast hätte ich mich gar nicht getraut die Tabletten zu nehmen. Ich bin ein Kontrollfreak, mir gibt die Einhaltung einer gewissen Struktur/Ordnung viel Sicherheit, und ich hatte große Sorgen meine (zwanghaften) Alltagsroutinen nicht mehr gewissenhaft genug durchzuführen :roll: .
Das tückische an dem Medikament ist, das es nichts an dem eigentlichen Problem/den Lebensbedingungen ändert. Es macht Dich gleichgültiger/gelassener, aber wenn die Wirkungen des Medis nachläßt, sind die gleichen Probleme da wie zuvor.
Ich glaube mein Psychiater weiss aufgrund seiner langjährigen Lebens- und Berufserfahrungen, dass leider nicht alle Problem- und Lebenslagen veränderbar sind, auch wenn das wünschenswert wäre.
Ich selbst habe mich lange Zeit gegen die Einnahme von Psychopharmaka gewehrt. Seit kurzem bin ich mir nicht mehr so sicher. Meine Lebensumstände die ständige, andaurende Hilfeabhängigkeit aufgrund der Behinderung sind unveränderbar. Warum soll ich mir das nicht manchmal durch ein Medikament etwas erträglicher machen? Als Kontrollfreak werde ich vermutlichlich nicht nicht so schnell abhängig, denn dieses Gefühl, das mir alles irgendwie entgleitet/unwichtig wird, ist nicht nur schön....Werde ich die Grenze immer finden? Werde ich das immer austarieren können dieses: Heute möchte ich vergessen, heute klar sein :?: Ich bin mir da selbst unsicher.
Für meine Paruresis ist Tavor sicher keine Lösung. Da geht es, glaube ich, eher drum die merkwürdigen Verknüpfungen in meinem Kopf zu lösen.
Und da waren mir Deine/Eure Hinweise hier im Forum schon sehr hilfreich.
Danke und liebe Grüße
Svenja
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Registriert: 6. Oktober 2006 15:32
Wohnort: Witten

Beitrag von Svenja »

Hallo Chiara,

echt Sch..., wenn man sowas hat. Ich finde, da hat Paruresis doch eher eine untergeordnete Bedeutung, wobei natürlich die Auswirkungen unverkennbar sind.

Wie sieht es denn im normalen Alltagsleben aus?

1. Was machst Du beruflich? Und wenn Du da ein Bedürfnis verspürst - sind die Kollegen so nett, mit Dir aufs Klo zu gehen?

2. Wohnst Du allein, noch bei den Eltern oder in einer WG? Allein in der Wohnung kann das doch gar nicht funktionieren. :cry:

LG Svenja
Chiara
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Registriert: 7. November 2010 13:55

Beitrag von Chiara »

Hi Svenja,
1. Was machst Du beruflich? Und wenn Du da ein Bedürfnis verspürst - sind die Kollegen so nett, mit Dir aufs Klo zu gehen?
Das wäre zwar netten von meinen KollegInnen, aber das wäre mir absolut unangenehm. Das könnte ich mir gar nicht vorstellen. Es wäre, wie eine Fortsetzung von dem, was ich als Schülerin mit den Lehrern erlebt habe. Und auch wenn das nett von den Lehrern war, möchte ich das nie mehr erleben.
Was ich berufliche mache: Ich arbeite als Sozialpädagogin in einer Beratungsstelle für behinderte Menschen und Angehörige.
Auch wen ich oft Versagensängste habe, das Gefühl angesichts der Probleme/fehlender Gelder den Ratsuchenden nicht wirklich weiterhelfen zu können, ist es mein absoluter Traumberuf.
Ich tue mich zwar selbst oft schwer damit, meine Behinderung/meine Hilfeabhängigkeit zu akzeptieren, aber ich weiss auch, dass auch mit Behinderung eine hohe Lebensqualität möglich ist.
Und diese Überzeugung auch mit Behinderung ist ein selbstbestimmtes, lebenswertes Leben möglich, wenn die notwendigen Hilfen finanziert werden, kann ich in meinem Beruf weitergeben. Das ist ein sehr schönes Gefühl.
Ich bin mir manchmal gar nicht sicher, ob meine Behinderung wirklich das größte Problem ist, oder meine Schwierigkeit Hilfe anzunehmen (es fällt mir z.B. auch bei psychischen Problemen schwer, eine Freundin anzurufen. Ich denke da muss/komm ich schon alleine durch, das schaff ich schon). Außerdem habe ich große Angst vor Kontrollverlust.
2. Wohnst Du allein, noch bei den Eltern oder in einer WG? Allein in der Wohnung kann das doch gar nicht funktionieren. Crying or Very sad
Ich lebe seit 15 Jahren in einer eigenen Wohnung,und habe rund um die Uhr bezahlte Helfer, die die Dinge für mich erledigen, die ich aufgrund meiner Behinderung nicht selbst machen kann.
Leider wissen das viele Menschen nicht, dass auch Behinderte mit hohem Hilfebedarf in einer eigenen Wohnung leben können. Die Kosten werden meistens von der Pflegeversichrung und dem Sozialamt übernommen. Wenn ich mit meinem Einkommen eine bestimmte Grenze überschreite, muss ich auch selbst was dazu zahlen.
Viele Grüße
Antworten