Soll ichs sagen?

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EinLeidender
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Soll ichs sagen?

Beitrag von EinLeidender »

Hallo zusammen,

ich habe jetzt schon seit ca. 4 Jahren bewusst Paruresis, bin 18 und habe es immer irgendwie geschafft, mich durchzuringen (auch bei Klassenfahrten und Urlaub etc.)
Niemand weiß davon, noch nicht einmal meine Familie..

Doch nun droht, die ganze geheime Fassade auf einen Schlag zusammenzubrechen..die Musterung steht in 2 Wochen an..und wie ich hier in einigen Threads schon gelesen habe, gibts dort die Urinprobe..


Mich quält der Gedanke, wie ich das alles anpacken soll..
Soll ich meinen Eltern jetzt, ganz plötzlich, vor der Musterung "noch schnell", alles erzählen?
Wie soll ich was sagen...allein der Gedanke ist furchtbar für mich..
Ich fühle mich von vornherein von meiner eigenen Familie als "behindertes Kind" abgestempelt..

Und das Militär...ich wollte da eigentlich hin..erst jetzt realisiere ich ein Netz voller Fragen aus Angst und negativen Erfahrungen...und nirgendwo ein Licht im Tunnel..


Hier sitze ich nun, und bitte unmotiviert um jeglichen Rat, jetzt schon im Hinterkopf, dass mich jeglicher Rat sicherlich jede Menge Überwindung kosten wird..

Gruß,
Einer von vielen Leidenden..
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Toni
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Beitrag von Toni »

Hallo Leidender,
zuerst einmal Glückwunsch, du hast mit diesem Thread bereits den ersten Schritt getan. Du willst Ratschläge, d.h. du hast dich entschlossen nicht mehr so durchzulavieren und das ist GUT so. Wenn du das Bedürfnis hast,deine Paruresis mit den Menschen in deiner Umgebung zu besprechen, dann tu es! Sie reagieren sicher sehr viel verständnisvoller, als du dir ausmalst. Keiner aus deiner Familie wird dich als "behindertes Kind" abstempeln, und sei ehrlich, da gibt es doch wirklich viel, viel schlimmere "Behinderungen".
Ich bin einige Jahrzehnte älter als Du, auch ich konnte bei der Musterung nicht Pinkeln, und habe danach 15 Monate Wehrdienst leisten müssen. Ich kannte das Wort Paruresis nicht, und dachte ich sei der einzige, der dieses Problem hätte. Trotzdem habe ich das durchgestanden, und Du schaffst das auch. Vielleicht kannst Du, damit beginnen, dich deinem besten Freund anzuvertauen. Ich wünsche Dir auf jeden Fall viel Erfolg und Kopf hoch. LG Toni :)
EinLeidender
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Beitrag von EinLeidender »

Hi Toni,

Danke, dass du geantwortet hast !
Einige Sachen muss ich noch dazu loswerden:


"Wenn du das Bedürfnis hast,deine Paruresis mit den Menschen in deiner Umgebung zu besprechen, dann tu es!"
--> Ich verspüre keinerlei Bedürfnis, das mit irgendjemandem in meinem Umfeld zu besprechen, nur befürchte ich Schlimmes bei der anstehenden Musterung..auch im Bezug auf mein persönliches Umfeld..

-Was war dann, als du bei der Musterung nicht pinkeln konntest? Was hat man mit dir gemacht/ dir gesagt?

- Wie konntest du den Wehrdienst überstehen? Wie hat das geklappt?!


-Hab mir übrigens überlegt, vor der Musterung einfach 2 Liter zu trinken... Zusätzlich hab ich gemerkt, das wenn man seine Bauchmuskeln anspannt, man unter Qualen eben doch pinkeln kann...
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Toni
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Beitrag von Toni »

Hallo
war bei meiner Musterung in Nachhinein betrachtet eigentlich ganz "lustig"(Habe das natürlich damals nicht so empfunden). Nachdem ich trotz voller Blase nicht pinkeln konnte mußte ich so in 30 minütigem Abstand immer mal wieder antreten. Nach 4 vergeblichen Versuchen hat man mir beim 5.mal eine Trennwand dazwischengestellt und einen Wasserhahn laufen lassen, da ging es dann nach 10 min. Als ich dann meinen Urin "präsentierte", sagte der Laborant, den bräuchte er jetzt nicht mehr, da er meine Unterlagen schon weitergegeben hätte :shock:
Während meines Wehrdienstes habe ich meine Pinkelpausen generalstabsmäßig geplant: In der Kaserne immer dann auf Toi, wenns grad ruhig war und immer in die Kabine, da gings dann meist nach einiger Zeit. Auf dem Übungsplatz immer wenn ich allein war, zB. auf Wache im Gelände(Gewehr nicht ablegen)...........
EinLeidender
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Beitrag von EinLeidender »

eieiei, das klingt aber sehr durchdacht, deine Zeit beim Wehrdienst..

Wo warst du bei der Musterung? Is das überall so, dass es keine Trennwand gibt? Wie muss man sich das vorstellen? Was ist das für ein Raum? Keine Toilette, sondern son Nebenraum, oder wie?
manson
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Beitrag von manson »

Ich hatte das Glück dass ich wegen anderweitigen Leiden nicht ins Militär musste. Und glücklicherweise, als "alter Pazifist" auch gar nicht dorthin wollte. Heut zutage ist das ja anders, das Militär wieder schwer angesagt, warum auch immer.... Die Menschheit wird wohl generell einfach nicht schlauer.

Ich stell mir das aber schon sehr stressig vor. Die Paruresis war mitunter ein Grund warum ich nicht in die Armee wollte. Ziemlicher Psychostress wenn man immer in die Kabine muss. Könnte mir auch vorstellen dass das die Paruresis im Endeffekt vertieft, weil mit üben hat das ja nichts zu tun, kannst da ja nicht stundenlang vor dem Pissoir stehen und auf Verständnis hoffen.
Hab mal im Forum gelesen dass Paruresis ein Grund sei davon dispensiert zu werden. Man ist ja nicht wirklich Einsatzfähig wenn auf dem Feld nichts geht und man erst einen Busch 500 Meter in Feindesland suchen muss..

Wie sind die Erfahrungen von Anderen? Paruresis im Militär, kann sich das dort auflösen oder wird das nicht noch verstärkt?
EinLeidender
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Beitrag von EinLeidender »

Kann ich dir nur zustimmen, manson.... ich wäre nur so gerne zum Bund gegangen..ich finde, dass is son Schritt zum Mann-sein..


Naja, heute war ich mal in nem Shopping-Center, hab dort mit Absicht ganz viel getrunken, literweise. Bin dann aufs WC erstmal in ne Kabine...und ging nichts, trotz unglaublich starkem Drang..
Ich dachte ich sterbe daran...bin dann schnell nach Hause gefahren, unter Schmerzen..wos dann lief..

Ich frage mich nur, was wäre, wenn ich nicht nach Hause hätte fahren können..wie weit wäre das noch gegangen, viel mehr hätte in die Blase echt nicht gepasst...ob man da echt bewusstlos wird oder so..
Thomas2

Beitrag von Thomas2 »

Hi
Ich hab mich auch schon unzählige Male gefragt, was mit einem passiert, wenn man absolut nicht pinkeln kann. Aber ich kann dich da beruhigen: so schnell passiert da nix, außer Schmerzen, die sind natürlich unangenehm. Ich hatte auch ne Phase wo die Paruresis richtig schlimm war und ich Angst vor jedem kleinem Ausflug hatte, aber mittlerweise ist das besser. Total beeinträchtigt bin ich Gott sei Dank nicht mehr. Also Kopf hoch: das wird bald sicher besser, mit etwas Überwindung.

Gruß, Thomas
EinLeidender
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Beitrag von EinLeidender »

29.10.09
Es sind nur noch genau 15 Tage bis zur Musterung und ich habe bis jetzt immernoch nicht den Mut aufbringen können, meinen Eltern oder meinen Geschwistern von meiner P zu erzählen.
Die Zeit spielt gegen mich..
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Toni
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Beitrag von Toni »

Hallo Leidender,
ich würde mich an deiner Stelle nicht selber so unter Druck setzen. Wenn du deinen Eltern oder Geschwistern nicht von deiner Paruresis erzählen willst ,besteht doch auch wegen deiner anstehenden Musterung kein Anlass dazu. Laß das Ganze doch einfach auf dich zukommen, wahrscheinlich ist es sehr viel weniger schlimm, als du es dir ausmalst.
Und was meine Erlebnisse betrifft, das ist ja alles schon sehr lange her. Ich glaube nicht das heute noch eine Musterungsstelle so spartanisch eingerichtet ist wie damals. LG Toni
manson
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Beitrag von manson »

Die Ausmusterung ist ja sicher nicht das Problem. Aber wenn er nicht mal im Kaufhaus in der Kabine kann, dann stell ich mir den Militärdienst schon nicht ganz einfach vor.

Oder irre ich mich da?!? (war ja selber nicht im Militär...)
EinLeidender
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Beitrag von EinLeidender »

Hoho, die Ausmusterung IST ein Problem, was eigentlich kein Problem sein soll für mich. Ich bin in bester körperlicher Verfassung, außer neben einer kleinen Kurzsichtigkeit ist meine P das einzige, was mich daran hindert, zum Militärdienst zu gehen.

Ich will ja eigentlich zum Militär, aber das scheint für mich jetzt gestorben..


Toni, sehe ich das richtig?
Ich soll NICHT mit meiner Familie mein Problem, was mich langsam echt fertig macht, und was mich mein ganzes weiteres langes Leben zutiefst einschränken könnte, teilen? Ich soll darüber schweigen?
Ich habe eigentlich das Gegenteil erwartet, etwas Aufforderung zum Handeln, zum Reden..jetzt bin ich unsicher.
manson
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Beitrag von manson »

Ich würde SCHON mit der Familie, deinen Eltern darüber reden. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nur wird die Paru dadurch ja nicht einfach geheilt sein. Zuhause, bei der Familie wird es dir dadurch sicher leichter fallen, im Militär wird es dir aber trotzdem nicht viel nützen (das ist das was was Toni vermutlich sagen will...)

Toni wird mich korrigieren falls ich falsch liege.
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Toni
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Beitrag von Toni »

Hallo Leidender,
Bitte entschuldige, so wollte ich meinen Beitrag nicht verstanden wissen. manson sieht das schon richtig.
Ich hatte dir ja in meiner ersten Antwort geraten, mit den Personen in deinem Umfeld über deine Paruresis zu sprechen. Dazu stehe ich auch weiterhin denn ich habe damit persönlich sehr gute Erfahrungen gemacht.
Deine weiteren Beiträge habe ich aber dahingehend verstanden, daß du das eigentlich gar nicht willst, dir aber selbst einen ungeheueren psychischen Druck machst, das vor der Musterung noch irgendwie hinzukriegen. Deshalb mein letzter Beitrag.
Es handelt sich um "2 Paar Stiefel". Reden zuhause würde dir dein Leben dort wesentlich erleichtern und ein erster Schritt zur Bekämpfung der Paruresis sein können.
Aber ein Militärdienst mit Paruresis ist kein Zuckerschlecken, zumal sich ungestörte Pinkelpausen dort situationsbedingt nicht immer organisieren lassen. Und dann heißt es halt leiden...(Habe ich auch oft erleben müssen)
Liebe Grüße Toni
zachy
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Beitrag von zachy »

Hallo Leidender!
Ich war auch beim Militär. Mit Paruresis. Genauer gesagt ist mir meine Paru erst dort wirklich bewusst geworden. Früher in der Schule gab es ja die Kabinen auf den Toiletten (muss dazu sagen, dass meine Paru gott Sie dank nicht so schlimm ist, dass ich nicht auf Kabinen in öffentlichen Toiletten könnte). Außerdem war dort alles viel anonymer.
Beim Bund hingegen - z.B. bei längeren Märschen draußen - muss man natürlich in der freien Natur und dann geht das Suchen los nach freien Plätzen und das Hoffen "hoffentlich sieht mich jetzt keiner".
Ich musste häufiger unverrichteter Dinge abbrechen, da ich Angst hatte, dass nun die "normale" Zeit für eine Pinkelpause überschritten sei. Das war dann mitunter sehr unangenehm.
Schlimmer noch war es auf den Klos in der Kaserne. Da es ja allgemein als "unmännlich" gilt nicht ans Pissoir zu gehen, musste ich natürlich sagen dass ich groß müsste und deshalb die Kabine benutzte. Hätte ich gesagt, dass ich nur pinkeln gewesen sei, hätte man mich ja gefragt weshalb ich nicht ans Pissoir gehen würde. Schon bald musste ich mir dann dumme Sprüche anhören wie "na schon wieder kaken?".
Also auf den Punkt gebracht: mit Paruresis zum Bund zu gehen ist nicht einfach! Es wird definitiv kein Zuckerschlecken werden!
Bedenke aber dass du dafür Erfahrungen machst, die du so als Zivilperson nicht machen kannst! Erfahrungen die dich im Leben weiter bringen können!
Du musst abwägen. Wenn du dich aber trotzdem für dem Bund entscheidest: RESPEKT!!!
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