Ausmusterung bei der Bundeswehr (einzigster Vorteil)

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Svenja
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Herzlichen Glückwunsch!

Beitrag von Svenja »

Hallo Croccy!

Den Worten von Toni kann ich mich nur voll anschließen!:roll:

LG Svenja
Croccy
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Beitrag von Croccy »

Croccy hat geschrieben:So, liebe Leidensgenossinen & Leidensgenossen,

heute, um 07:15 Uhr hatte ich beim Kreiswehrersatzamt (KWEA) in Stuttgart einen Termin zur Musterung und möchte euch hiermit mal schildern, wie das alles so verlaufen ist.

Im Vorfeld muss ich erstmal sagen, dass ich ausgemustert werden wollte, da ich schon 21 bin, fest im Beruf stehe, gutes Geld verdiene und meinen Lebensunterhalt mit meiner Freundin selber finanziere. Da kämen 9 Monate Wehr -oder Ersatzdienst mit ca. 350-400 € Netto mehr als ungelegen.

Da ich bis heute geistig, wie auch physisch kerngesund bin - abgesehen von der Paruresiserkrankung - würde es sehr schwer fallen ausgemustert zu werden. Also war Paruresis meine einzigste Hoffnung. Nach kurzer Internetrecherche suchte ich also einen Psychiarter auf, welcher mir meine Paruresiserkrankung attestieren sollte. Der Arzt war sehr verständnisvoll zu mir und stellte mir nach einem 10 minütigem Gespräch ein Attest aus, sagte aber, dass ich bei ihm eigentlich an der falschen Adresse sei und ich bei einem Psychologen eine Verhaltenstherapie machen solle.
Das alles wusste ich ja bereits, mir ging es eigentlich ja nur um das Attest ;)

Und so sah mein Attest aus.

Fachärztliches Attest
zur Vorlage beim Musterungsarzt


Betrifft: XXXXXXXX, geb, 21.07.1988


Herr XXXXX wurde von mir am 17.07.2009 nervenärztlich untersucht. Der Patient leidet unter seit seiner Kindheit bestehenden spezifischen Phobie. Dieses betrifft den Besuch öffentlicher Toiletten. Auf Grund seiner phobischen Störungen ist der Patient nicht dazu in der Lage auf öffentlichen Toiletten oder im Freien, wenn andere Personen in der Nähe sind, die ihn beobachten könnten, Wasser zu lassen.
Es handelt sich dabei um eine behandlungsbedürftigte Störung, die aber voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen wird. Die spezifische Phobie wird, so lange sie weiterbesteht, in entsprechenden Gruppensituationen bei der Bundeswehr sehr wahrscheinlich zur Verhaltensauffälligkeiten führen.

Dr.med. XYZ
(Arzt für Neurologie und Psychiatrie)
Wichtig ist, dass man sich das Attest von einem anerkannten und studierten Arzt besorgt. Ich habe gelesen, dass Psychologen nur Gutachten ausstellen dürfen, aber keine ärztlichen Atteste. Beim Urologe ist man übrigens an der falschen Adresse. Es handelt sich ja nicht um ein anatomisches Problem, sondern um ein psychisches.

Nur mit diesem einzigen Attest machte ich mich also heute morgen auf den Weg nach Stuttgart ins Kreiswehrersatzamt in der Heilbronner Straße.
Ich war einer der Ersten und musste mich erstmal an der Anmeldung melden, zwecks Anwesenheit und Fahrtkostenrückerstattung.
Nach kurzer Wartezeit wurde ich in einen Raum gerufen und der etwas genervte Herr überprüfte meine Personalien und fragte mich u.a., ob ich verweigern, oder Soldat werden wolle :D
Bei einer erfolgreichen Ausmusterung ist wichtig, dass man auf KEINEN Fall verweigert. Wenn ihr im Vorfeld schon verweigert, muss man zwar den Eignungstest (EUF) nicht mehr machen, aber die Anforderungen werden heruntergesetzt und man wird nicht mehr so schnell ausgemustert, da man mit vielen Krankheiten Zivi machen kann.
Sagt einfach, dass ihr zum Bund gehen wollt, oder ihr euch noch nicht sicher seid. Verweigern kann man zu jeder Zeit!

Nach dem kurzen Gespräch wurde ich in den nächsten Wartebereich weitergeschickt. Ebenfalls nach kurzer Zeit wurde ich und noch einer ins "Labor" aufgerufen. Dort musste man dann seine Atteste abgeben, man wurde gewogen und gemessen und dann folgte die Urinprobe. Uns wurden 2 Becher gereicht und man durfte dann in einen kleinen Raum gehen und dort seinen Becher füllen. Der Kollege war zuerst an der Reihe, wärend ich gewogen und vermessen wurde. Ich gab mein Attest ab, die aus Asien abstammende Frau fing an zu lesen und plötzlich "HÄÄ?!" sie zeigte mit dem Stift aufs Blattpapier und lies ihre Kollegin draufschauen. An ihren Gesichtsausdrücken konnte ich erkennen, dass sie sowas noch nie gehört haben, mir war das so unangenehm.
Jedenfalls fragte mich die Frau dann, ob es ein Problem wäre in diesem Raum zu pinkeln und bot mir an, die Toilette am Ende des Ganges zu benutzen, wenn es nicht klappen würde.
Nach ca. 3-4 Minuten war der junge Mann vor mir immer noch nicht fertig. Die junge Kollegin schrie: "Herr Müske, sind sie schon fertig?"
Ich habe mir natürlich meinen Teil gedacht :D Aber er war dann doch erfolgreich.
Nun war ich an der Reihe und betrat den Raum und hätte den Becher sofort randvoll machen können, aber da ich ja ausgemustert werden wollte, hab ich extra nicht in den Becher gemacht, da ich meine Krankheit ein wenig dramatisieren und es glaubhaft rüber bringen wollte. Ich wartete also in dem Raum, bis ich plötzlich ein lautes Kichern hörte. Als ich dieses Kichern hörte, war mir klar, dass die Frau am Schreibtisch allen anderen Anwesenden Arzthelferinnen im Raum dieses Attest gezeigt hat. Es war so demütigend und erniedrigend und ich hätte am liebsten gleich losheulen können.
Ich wartete noch eine Weile und habe den Raum mit einem leeren Becher verlassen und fragte, ob ich nicht die Toilette im Gang benutzen könne, mir sei räumliche Distanz wichtig. Mich haben die jungen Mädchen alle angegrinst und ich kam mir so dämlich vor, ihr könnt es euch sicher vorstellen.
Ich ging also zur Toilette und kam sofort mit vollem Becher wieder. Bei mir ist es zum Glück so, dass ich in der Kabine immer kann.
So nebenbei: Es wurde u.a. ein Drogentest durchgeführt, jedenfalls habe ich die Schnelltests auf dem Labortisch liegen sehen.

Ich wurde nach erfolgreicher Urinprobe in den Wartebereich 2 geschickt. Nach erneuter kurzer Wartezeit wurde ich zum Seh- und Hörtest aufgerufen (Es wurde Musterung und EUF aus zeitlichen Gründen gleichzeitig gemacht). Zum Seh-und Hörtest brauch ich nicht viel sagen, alles glatt bestanden.

Dann wurde ich wieder in den Wartebereich 1 geschickt. Die ärztliche Untersuchung folgte also.
Ich wurde von einer Frau ins Zimmer gerufen, was mir gar nicht so recht war. Hätte mich lieber einem Mann anvertraut. Naja was solls, die Leute dort sieht man eh niemals wieder :D
Ich habe also Platz genommen. Die Ärztin klickte ein bisschen am Computer rum und nahm schließlich mein Attest in die Hand. Sie fragte mich wie lang ich diese Phobie schon habe usw usw usw...
Wir haben uns ca. 15 Min. über diese Krankheit unterhalten. Sie war sehr einsichtig und konnte sich in meine Lage versetzen. Ich habe ein wenig mehr ausgeholt und die ganze Sache noch sehr dramatisiert, ich hab also gesagt, dass ich meinen kompletten Tagesablauf nach dieser Krankheit richte und sehr wenig trinke. In Wirklichkeit ist es bei mir andersrum.
Wir unterhielten uns wirklich sehr ausführlich über mein Leiden und sie suchte sogar noch nach Lösungen und sagte, dass ich eine Therapie machen solle usw...
Ich wurde dann gar nicht mehr untersucht, also musste mich gar nicht erst ausziehen.

Dann folgte der Satz, den ich mir so sehr erhofft habe: "Tja Herr...., mit dieser Einschränkung sind sie leider nicht für die Bundeswehr geeignet. Sie können ja nicht draußen pinkeln, wenn sie z.B. auf dem Truppenübungsplatz sind und sie sind quasi immer mit ihren Kameraden zusammen. Ich bitte Sie hier noch zu unterschreiben und dann können Sie sich im Raum x melden und können dann nach Hause gehen"

Es ist 08:29 Uhr: Ich gehe mit einem dicken Grinsen im Gesicht und einer Bestätigung des Tauglichkeitsgrades T5 aus der Pforte und genieße die warmen Sonnenstrahlen :)

Also Leute, Paruresis ist in meinen Augen ein 100%iger Ausmusterungsgrund. Man sollte sich vorher aber unbedingt ein Attest besorgen und die Sache glaubhaft rüberbringen. Wenn man nicht gerade an den autoritärsten, alteingesessensten Musterungsarzt gerät, steht einer Ausmusterung nichts im Wege.


Viel Erfolg & Danke fürs Zuhören :)

Euer croccy ;)
Matthis
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Beitrag von Matthis »

Croccy hat geschrieben: (...)Es war so demütigend und erniedrigend und ich hätte am liebsten gleich losheulen können.
(...)
Mich haben die jungen Mädchen alle angegrinst und ich kam mir so dämlich vor, ihr könnt es euch sicher vorstellen.
Eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen. So wie ich das sehe, hast DU doch denen eine prima Show vorgespielt?! Du hättest den Becher doch vollmachen können, wie du schriebst. Das heißt, du hast die Schwestern dort einwandfrei verarscht UND hast dein gewünschtes Ergebnis bekommen. Für mich klingt das nach ganz großem Kino. Das bisschen ausgelacht werden ist da doch den Preis wert, oder? Außerdem war das nur Gruppenzwanglachen der jungen Damen. Je lauter gelacht wurde, desto größer die Wahrscheinlichkeit eines ähnlichen Problems bei der entsprechenden Lacherin. ;)
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paru end it
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Beitrag von paru end it »

Also ich kann mich noch gut an meine Musterung erinnern, klar ich hatte auch großen Schi.. davor, aber im Gegensatz zu den meisten hier wollte ich trotz meiner Paruresis zum Bund.

Ich sagte mir du bist bis jetzt irgendwie durchs Leben geschlendert warum nich auch beim Bund. :D

Ich ging also hin machte die ganzen Tests und so und hatte trotz des Gedankens an eine vollen WC Raum in echt nen leeres kleines Örtchen
wo ich den Becher entspannt füllen Konte.

Das mit an den Eiern fassen ist halt n bissel gewöhnungsbedürftig
Ich hab einfach an nichts gedacht Hose runter und in die Luft geguckt. :roll:
Gehustet die Frage beantwortet ob ich was merke und fertig, Hose wieder hoch. 8)
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