My Story so far..... und der Katheter- ein Lichtblick :-)

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keepfighting
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My Story so far..... und der Katheter- ein Lichtblick :-)

Beitrag von keepfighting »

Hallo zusammen,

ich bin 28 Jahre alt und leide seit ca. 12 Jahren an Paruresis. Ich würde die Krankheit bei mir als "schleichenden Prozess" bezeichnen.
Im Teenager-Alter konnte ich noch in Anwesenheit anderer Personen urinieren. Mit der Zeit zeigte die Krankheit aber eine immer stärkere Tendenz. Aktuell fällt es mir sogar sehr schwer (bis fast unmöglich), mich in einer abgeschlossenen Kabine zu entleeren.
Ich bin Mitarbeiter in einem Büro von 4 Personen. Glücklicherweise ist es für mich i.d.R. möglich die Toilette des Büros zu nutzen. Allerdings bestätigen Ausnahmen die Regel und ich bin immer von der Angst gefangen, dass es vlt. doch nicht klappt. In Restaurants, dem Schwimmbad, im Kino oder in sonstigen öffentlichen Einrichtungen ist es für mich nicht mehr möglich in Kabinen zu urinieren.

Meine Freizeit wird durch die Paruresis maßgeblich bestimmt. Habe schon etliche Mehrtages-Ausflüge abgesagt, aus Angst nicht urinieren zu können. Langstrecken-Flüge sind leider keine Option mehr. Ich verzichte auf sehr vieles was mir unglaublich viel Freude bereitet. Freundschaften habe wegen ständigen Absagen oder Ausreden schon stark gelitten.
Bei 1-Tages Aktivitäten versuche ich bewusst die Trinkmenge zu reduzieren, um erst bei der Rückkehr am Abend die ‚sichere‘ Toilette zu Hause aufsuchen zu müssen. Auch habe ich die Sorge, dass ich beruflich nicht den nächsten Schritt machen kann, da ich Angst von der dortigen Toilette habe.

Ich habe meinen Partner im vergangenen Jahr darüber informiert. Trotz des wirklich großen Verständnis über diese Krankheit, fällt es mir nach wie vor schwer, mich in seiner Anwesenheit zu entleeren. Auch in der Wohnung seiner Eltern kann ich ggf. nur nachts erfolgreich die Toilette nutzen. Seit ca. 1 Jahr gehe ich nun bewusst auf öffentliche Toiletten um zu ‚trainieren‘, manchmal mit Erfolg, meistens mit Misserfolg, was unglaublich an mir nagt. Auf dem besten Weg in die Depression ….. Es ist doch eigentlich eine so einfache Sache…. :(

Daher habe ich den Entschluss getroffen, mich meinen Hausarzt anzuvertrauen. Er hat sehr verständnisvoll reagiert und mich an die Urologie der Uni-Klinik verwiesen. Selbst in dieser renommierten Universität-Klinik hatte die Urologin noch nie einen Patienten mit diesem Problem vorstellig. Von ihr wurde durch eine (zuvor mitgebrachte) Urinprobe und einen Ultraschall festgestellt, dass keine organischen Ursachen für das Problem vorliegen. Ich habe die Fr. Dr. Urologin von meiner Seite auf das Thema Selbstkatheteresierung angesprochen. In einem Forum von paruresis.de habe ich gelesen, dass ein Mitleidender mit diesem „Hilfsmittel“ die Sache in den Griff bekommen hat, da er nun eine 100 %-ige Sicherheit hat. Entweder klappt die Entleerung einfach so, oder zwangsweise mit dem Katheter. Die Urologin bestätige mir, dass die Selbstkathetersierung bei richtiger Anwendung völlig bedenkenlos ist. Es gibt viele Menschen, auch Kinder die aus anderen Gründen (Querschnittslähmung, etc.) ebenfalls eine eigentlich gesunde Blase über einen Katheter entleeren. Soweit so gut dachte ich, bis es an die tatsächliche Umsetzung ging. In einem weiteren Termin hat mir eine Krankenschwester gezeigt, wie der etwa 40 cm lange Katheter durch die Eichel bis zur Blase eingeführt wird. Ich habe es selbst unter ihren Augen versucht, leider ist mir bei der Einführung übel geworden und die notwendige Gelassenheit fehlte mir natürlich auch. Schamgefühle hatte ich keine. Die Krankenschwester hat die Sache dann übernommen und mir gezeigt, dass es möglich ist. Die Blase wurde durch den Katheter tatsächlich entleert. Von der Uni-Klinik habe ich 60 Einmal-Katheter "to go“ , sowie Desinfektionsmittel mitbekommen. Leider widerstand mir der Gedanke diesen Schlauch einzuführen so sehr, dass ich es zunächst nicht versuchte.

Mittlerweile habe ich den Dreh mit dem Katheter raus und muss sagen, es ist einfach grandios. Nachdem ich ihn zu Hause und im Büro mehrfach erfolgreich angewandt habe, habe ich es schon im Freibad, in der Wohnung meines Freund und auf Tankstellen geschafft. Ich brauche im Stehen etwa 5 Minuten bis die Blase damit entleert ist. Im Büro muss ich den Katheter gar nimmer anwenden, da meine Angst nicht mehr besteht. In 4 Wochen habe ich mehrere Inlandsflüge und werde es auf der Bordtoilette versuchen. Solltet ihr in Betracht ziehen, ebenfalls die Katheterlösung erlernen zu wollen, sucht zuvor auf jeden Fall einen Urologen auf. Man muss sich zwar n bissl überwinden, aber die Freiheit danach ist es auf jeden Fall wert. Es ist alles Übungssache...

Frau Dr. Urologin hat mir unabhängig von der Katheterlösung auf jeden Fall eine Verhaltenstherapie angeraten. Dieses Problem ist von psychischer Natur und kann nur durch entsprechende Veränderungen im Kopf geheilt werden. Das wusste ich natürlich schon davor.. ;)

Mein Plan ist eine Therapie in Angriff zu nehmen. Gleichwohl habe ich die Katheterlösung erlernt um die 100 % Gewissheit zu haben, auf jeden Fall meine Blase zu entleeren. Ich glaube dadurch habe ich tatsächlich eine gewisse Gelassenheit erreicht. Ziel ist es aber ohne Hilfsmittel den Zustand von ca. 15 Jahren zu erreichen. In diesem Sinne keep fighting....
kezardnow2
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Beitrag von kezardnow2 »

Hallo keepfighting,

deine Geschichte ähnelt meiner sehr. Ich kann mich allerdings nicht überwinden den Katheter als Lösung zu sehen. Es stellt einfach eine zu große Überwindung dar, da ja organisch alles in Ordnung ist. Wie gesagt es ist Kopfsache. Hast du die Verhaltenstherapie schon begonnen? Ich bin auch am Überlegen eine zu machen, allerdings denke ich, dass dies ziemlich langwierig sein wird.
Wäre es möglich, dass wir uns einmal persönlich austauschen?

LG
keepfighting
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Beitrag von keepfighting »

...seit meinem Eintrag sind nun mehrere Monate vergangen und ich wollte mal ein kurzes Update geben:

Mein Leben hat sich durch die, ich nenne sie mal "Katheterlösung", grundlegend zum Positiven verändert. Ich bin mittlerweile wieder so gut wie unabhängig von meiner Blase. Egal ob ICE- , Parkhaus-, Raststätten-, Restaurant-, Flugzeug-, Camping-Platz-, Freibad, oder bei Freunden-Toilette, es funktioniert überall. Das Tolle: In immer mehr Situationen muss ich den Katheter gar nicht mehr anwenden, da ich durch die massive Nutzung Öffentlicher Toiletten mehr und mehr die Angst davor verliere. Ich komme gerade zurück von einem 2- wöchigen Portugal Trip, bei welchem wir in einem VW T5 von Ort zu Ort gereist sind. Vor einem halben Jahr wäre eine derartige Tour für mich noch unvorstellbar gewesen. Jetzt war es gar kein Problem mehr, ein unglaubliches Gefühl. Ich nutze die Einmalkatheter der Marke Lofric Origo, (meist im Stehen) die sehr gut für Reisen, auch im Flugzeug, geeignet sind. Länger als 4 - 7 Minuten dauert der gesamte Toilettengang nie. Ein bissl nervig, aber sehr Wichtig bei Anwendung der Katheterlösung ist die strikte Hygieneeinhaltung, also Desinfektion der Hände und der Genitalien - für mich aber ich ein gern in Kauf genommenes Übel. (Die erstmalige Anwendung sollte man zusammen mit qualifizierten Personal, einem Urologen, etc., durchführen)
In meinem Büro kann ich mittlerweile immer ohne Katheter die Toilette benutzen.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich ein ganzes Stück an Lebensqualität zurückgewonnen habe, aber natürlich noch nicht am Ende bin. Ziel ist es, nach wie vor, die Toilette wieder "ganz normal" aufsuchen zu können. Trotzdem fühlt sich mein Leben jetzt, verglichen mit dem zu Beginn des Jahres 2016 viel befreiter an.

In diesem Sinne.... keep fighting.....
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Sasha
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Beitrag von Sasha »

Dieser Eintrag macht mir Hoffnung!!

Am Freitag wird mir gezeigt wie man den Katheter anwendet. Ich hoffe auch, dass ich dadurch diese "Blockierung" irgendwann wieder verlieren werde und natürlich werde ich eine Therapie beginnen.

Aber die Gewissheit dass man die verdammte Blase entleeren kann, das ist schon toll!


... Das Komische ist außerdem, ich weiß nicht ob es vielen von euch auch so geht, mein Kopf ist eigentlich "leer" wenn ich auf einer Toilette sitze. Ich fühle mich sogar "entspannt"... und trotzdem kommt nix. Ich denke nicht mal sowas wie "Hoffentlich hört mich niemand".

Ich hoffe dass ich mit dem Katheter auch wieder diese Lebensqualität wieder finde. Vielleicht auch wieder mehr trinken kann. (Und Kaffee).

Danke keepfighting für deinen Bericht!
Rolf
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Re:

Beitrag von Rolf »

Sasha hat geschrieben: 9. Januar 2018 16:35
... Das Komische ist außerdem, ich weiß nicht ob es vielen von euch auch so geht, mein Kopf ist eigentlich "leer" wenn ich auf einer Toilette sitze. Ich fühle mich sogar "entspannt"... und trotzdem kommt nix. Ich denke nicht mal sowas wie "Hoffentlich hört mich niemand".
Du suchst noch ein Motiv für eine Bildmeditation? Versuch mal "Kaninchen und Schlange"
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Sasha
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Re: Re:

Beitrag von Sasha »

Rolf hat geschrieben: 19. Januar 2018 05:12 Du suchst noch ein Motiv für eine Bildmeditation? Versuch mal "Kaninchen und Schlange"
Eigentlich nicht.

Früher habe ich mir die Zutaten der Seifenpackung durchgelesen und mich darauf konzentriert. Funktioniert nicht mehr.
Rolf
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Seifenoper

Beitrag von Rolf »

Stimmt - so seh ich das eigentlich auch. Hast mich ertappt.
Keil01
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Re: My Story so far..... und der Katheter- ein Lichtblick :-)

Beitrag von Keil01 »

Hört sich interessant an, aber wenn man den Katheter dann raus nimmt brennt das dann immer noch so?

Musste letztens über 12 Stunden "anhalten" weil 2 Freunde bei mir übernachtet haben, das dann selbst wo sie weg waren nur ein bisschen rauskam und ich nicht komplett entleeren konnte. Hatte dementsprechend leicht Panik bekommen, ganze Zeit druck und nix kommt raus und bin dann weitere 8 Stunden später ins Krankenhaus - die haben mir dann einen Katheter gelegt.

War ansich nicht so schlimm, unangenehm aber trotzdem. Dann kam aber ein neues Problem, nachdem ich wieder zu Hause war und normal Pinkeln wollte hat der Penisschaft so gebrannt das nichts rauskam... wieder Panik, 6 Stunden später lief es zum Glück doch. Puh.

Sind die Einweg-Katheter dünner oder speziell anders?
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