Wer hat Angst vor der Situation?

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Kitsune
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Beiträge: 34
Registriert: 25. März 2011 22:17

Wer hat Angst vor der Situation?

Beitrag von Kitsune »

Hallo zusammen,

Wer von euch hat auch Angst, in die Situation hinein zu gehen??? Heist sich auf die Toilette zu setzten und einfach mal sehen ob es klappt. Wie ist das bei euch??? Meidest ihr auch so schon die Toilette ??? Was habt ihr für Gedanken, wenn ihr eine Toiletten Kabine seht ??? Seit ihr in Therapie ???

Liebe traurige Grüße, Kitsune
Rolf
Poweruser
Beiträge: 231
Registriert: 30. März 2004 19:21

Beitrag von Rolf »

Hallo Kitsune,

wie wir leider erfahren mussten, ist P. eine vielschichtige Phobie. Aber es ist durchaus erlaubt, die einzelnen Schichten getrennt anzusehen. Vermutlich sind für dich ein Treffen mit Betroffenen oder eine Gruppentherapie mal ein Versuch wert. Ob das in deiner jetzigen Therapiesituation Zeit und einzubauen ist, musst du erfragen. Jedenfalls tut es gut, mal die Einbindung der Probleme der anderen zu sehen, und wie die damit umgehen.

Damit meine ich nicht das "normale" Leben, das strebt normal niemand an :?

Und "Negativziele" wie "ich will keine Angst mehr haben" sind ebenso wenig praktikabel wie "ich will keine Schmerzen mehr haben". Das funzt einfach net. Wenn du mit deinen bisherigen Therapien nur unbefriedigend weiter kommst, kannst du deine Aufmerksamkeit möglicherweise mal hinter die P. lenken, nur um eine andere Sicht der Dinge zu bekommen, wenn du mit deiner P. so gar nicht weiter kommst!

Nur z.B.: Du schreibst ungefähr, deine Panik beginnt bereits vor der Klotür - was also ist dahinter? Ein Krampf, der deine Blase abschnürt, Ekel vor dem Zeugs dahinter, wartet da schon einer auf dich, bist du hilflos und beobachtet, wenn du ungeschützt auf der Brille hockst, sitzt der Hausmeister mit der Stoppuhr in der Ecke... ich kann hier noch eine Seite lang, doch es ist unmöglich, das individuell in einem Forum ergründen zu wollen.

Viel Erfolg, Rolf
Kitsune
User
Beiträge: 34
Registriert: 25. März 2011 22:17

Beitrag von Kitsune »

Hallo Rolf,

Die Therapie ist einfach sehr anstrengend. Ich muss schon mit sehr voller Blase dort erscheinen, um überhaupt trainieren zu können. Das leuchtet mir auch ein, nur meistens sind damit dann auch Schmerzen verbunden, die kaum auszuhalten sind. Die mich kaum stehen lassen. Ich wünsche mir dann so sehr Erleichterung zu kriegen, aber es klappt nicht. Selbst, wenn ich versuche mich zu entspannen. Und wenn es mal klappt, dann immer nur sehr leicht. Ich gehe meistens mit Starken Schmerzen nach Hause und das ist eine Fahr von 2/5 Stunden. Auch wenn sich das jetzt Blöd anhört, aber manchmal wünsche ich mir einfach nur ein Messer in meiner Nähe, nur um endlich von diesen Höllen Schmerzen frei zu sein. Zu hause krieg ich dann manchmal einen Heulkrampf und denk mir, wieso klappt es nicht. Du konntest es doch auch mal, einfach so auf Toilette zu gehen. Ich weis leider bis heute nicht, warum es seit meinem 13. Lebensjahr nicht mehr so ist. Ich traue mich noch nicht mal so in die Situation rein zu gehen, ich hab so eine Panik davor, dass es wieder nicht klappen könnte. Ich würde mir dann als Versager vorkommen. Ich weis, ich muss es einfach versuchen in die Situationen hineinzugehen, egal wie unerträglich sie ist. Aber es ist so, dass sobald ich auf Toilette sitze, ich flüchten will.
Ich muss diesen Kampf allein austragen. Tag für Tag werde ich mit der Krankheit konfrontiert, wenn auch indirekt. Andere machen scherzen übers Wasser lassen und ich lache mit. Ich kann nirgends übernachten. Geschweige den mal ganz entspannt irgendwo hingehen. Es kosten Kraft. Und es hat jetzt auch nichts mit rum jammern zu tun. Ich habe momentan echt keine Kraft mehr. Ich brauche einfach Ratschläge, wie ich vielleicht besser in die Situation rein gehen könnte, ohne sofort zu fliehen.
Rolf
Poweruser
Beiträge: 231
Registriert: 30. März 2004 19:21

Beitrag von Rolf »

Hallo Kitsune,

klar möchtest du fliehen, aber du mußt auch dein Wasser abschlagen - da ist noch nix besonderes dabei. Das kann man in Ruhe angehen, da ist keine Notwendigkeit zum Kämpfen (frei bist du erst, wenn du aufhörst zu kämpfen).

Jeder von uns behauptet, man müsse seinen Tag nach der P. ausrichten, entlegene Klos, seine Ruhe haben und was der einzelne für individuelle Forderungen sonst noch für das Pinkeln hat. Aber bitte, wieso ist man trotzdem derart hart zu sich selbst und stellt sich vor Aufgaben, die eben gerade nicht zu bewältigen sind?! Wie soll ich einfach so hin sitzen (und können!), wenn da irgendwas im Weg ist? Wieso soll ich über Pinkelwitze lachen, wenn mir nicht danach ist? Warum soll ich nicht bei Freunden übernachten, die mir wohlgesonnen sind und mir durchaus wünschen, dass ich kann? Denk mal drüber nach...

Früher hatte ich das mit gut bekannten Kollegen versucht, heute schaue ich einfach, dass mir die Umgebung halbwegs sympathisch ist – das ist aber für jeden etwas anderes. Inzwischen reicht es mir, dass vor dem Klo jemand (fremd oder nicht) anwesend ist und „Wache“ hält. Da muss der noch nicht mal was davon wissen, der würde sich wohl auch dafür bedanken. Deswegen die Aufzählung in meinem Post vorher: Warum denn, soll man seine Desensibilisierung im Kreis der Familie beginnen, wenn genau da das Problem herkommt (das wieder nur als Beispiel). Aus diesem Grund behaupte ich schon Jahr und Tag, du mußt ein wenig über dich und die Ursachen Bescheid wissen. Es ist völlig wertlos zu versuchen, starre Regeln für das Pinkeln aufzustellen, wenn die nur bei einem halben Duzend Leuten gelten können.

Wieder nur als Beispiel: Nimm die Maßgaben deiner Thera nicht unbedingt wörtlich, sondern mache es so, dass es gut für dich ist. Das kann die einfach so auch nicht riechen, die Übungen sind nämlich für dich und net für die Thera. Es ist zwar gut, einen Blasendruck zu spüren, wenn man üben will, doch eine zu volle Blase erzeugt ihrerseits wieder einen Krampf, den der Körper zu halten versucht. Das ist eine ganze andere Ebene. Diese Grenze mußt du selber erspüren, denn der Mensch möchte sauber sein und brunzt sich nicht einfach ohne Grund in die Hose. Das ist die Normalität, die gilt im Hintergrund auch für uns Paruretiker.

Du merkst, auf was ich hinaus will? Sind wirklich sehr spezielle Verhalten für dich erforderlich, um einen Abstand zur Sache zu bekommen und damit du dich akzeptiert und angenommen fühlst, dann bleibt dir leider nichts anderes übrig, als zu suchen oder in der Therapie ein wenig tiefer zu schürfen. Und zu wissen, was dir gut tut.

LG Rolf
daniel73
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Registriert: 24. April 2015 21:37
Wohnort: Neumarkt/Opf.

Beitrag von daniel73 »

Hallo Kitsune,

seit über zwanzig Jahren lebe ich mit Paruresis und bin im Alltag bis auf wenige Situationen damit klargekommen.
Ich wußte meist wo und wie es sicher geht und wo ich alleine bin. Die Situationen in denen es gar nicht geht (Zug, Flugzeug, lange Bürositzungen mit Klo nebenan - in den Pausen wollen alle, Urintest beim Arzt, kleine Klos in Kneipen, stark frequentierte Klos (Theater, Kino, Stadion) will ich auch noch in den Griff kriegen.
Andere belastet es wahrscheinlich wesentlich mehr, so dass eine Therapie meist als letzter Ausweg scheint. Das möchte ich für mich vermeiden. Was man so liest scheint das auch sehr unterschiedlich erfolgreich aber immer teuer zu sein.
Wirklich Angst im Sinne von Gefahr habe ich nicht, eher das Wissen und die Sorge vor einem teils extrem unangenehemen Gefühl im Bauch, wenn mal wieder nichts geht.
Ich habe auch keine Angst vor vielen Menschen, hätte keine Angst mich ans Urinal zu stellen oder mich zu zeigen (gehe auch gerne in die Sauna) und doch ist es einfach die Psyche die mir vermittelt:
Viele Leute, Unruhe es wird nicht gehen wenn es nicht völlig unvermeidbar ist und nur eine Kabine da ist.

Mit der Lektüre von "Lass es laufen" wurde mir einiges klar.
1. Zum einen bin ich nicht der Einzige mit dem Problem und es ist weit verbreiteter als gedacht (die Zahl der Fälle die damit leben und sich nicht dazu äußern ist sicher extrem hoch).

2. Das Gefühl mit fast platzender Blase rumzulaufen ist sicher nicht gut und absolut unangenehm und schmerzhaft, bis hin zu weiterführenden Sympthomen aber die Blase platzt nicht, eher gehts in die Hose.

3. Das Falscheste was man machen kann ist die Vermeidung.

Da war ich bis vor zwei Jahren auch nicht anders. Auf Reisen habe ich meine Flüssigkeitsaufnahme geplant. In Deinen Beiträgen habe ich ähnliches gelesen.
Lass es und stell Dich der Situation. Trinke soviel es geht und nutze die Situation mit dem Gang auf's Klo. Lass keinen Einfluss auf Deinen Tagesablauf zu.
Nur mit der ständigen Übung wird sich der Erfolg einstellen. Und zum Üben gehören auch Mißerfolge, geht mir nicht anders. Ich habe mir angewöhnt auch dann auf's Klo zu gehen wenn ich vorher schon weiß es geht nicht. Auch davor sollte niemand Angst haben. Bleibe einfach sitzen, spiel mit dem Handy, lies eine Zeitschrift o.ä., nach einer (oft langen) Zeit kommt vielleicht doch die Entspannung. Das auszuhalten ist der Punkt.

Persönlich nutze ich viele Gelegenheiten auch öffentliche Toiletten zu benutzen. Als Mann habe ich jetzt keinen Vorteil weil ich mich nicht der Königsdisziplin Urinal stelle.
Es gibt mittlerweile viele recht saubere Möglichkeiten (SaniFair in Bahnhöfen, Flughäfen, Raststätten, Einkaufszentren) auch wenn sie etwas kosten, die Therapie ist aber teurer.
Was vorstellbar ist, ist auch machbar.
(A. Einstein)
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