Gruß aus Hannover

Hier könnt ihr euch den anderen Nutzern vorstellen
Antworten
FreeMind
User
Beiträge: 9
Registriert: 26. Mai 2025 21:02
Wohnort: Hannover

Gruß aus Hannover

Beitrag von FreeMind »

Bin seit meinem 8. Lebensjahr davon betroffen. Ich habe sogar herausgefunden, wie ich zur Paruresis gekommen bin. Es ist aber eine komplizierte Geschichte, so dass es wegen der Länge an dieser Stelle nicht passt.

Der Zustand war einfach so, dass ich nicht pinkeln konnte, wenn andere mich beobachten konnten. Eine Kabine war mich daher stets "überlebenswichtig". Manchmal, wenn ich alleine in einer Toilette war, stellte ich mich ans Urinal und pinkelte dort und dachte wehmütig an die anderen Jungs, für die das offenbar überhaupt kein Problem war. Auch draußen brauchte ich immer einen Sichtschutz, was Outdoor-Aktivitäten für mich immer "gefährlich" machte.

Dann mit 30 und einigen unerfreulichen Erlebnissen, habe ich begonnen an meinem Zustand etwas zu ändern. Ich wollte mich damit auf keinen Fall abfinden. Als ich mal mit einer Gruppe auf einem gößeren Privatgrundstück zeltete, stellte ich mich morgens an den Rand des Platzes und konnte pinkeln, obwohl andere zu der Zeit auch aus ihren Zelten kletterten. Das war für mich eine riesiges Erfolgserlebnis, allerdings konnte ich mir mit den anderen noch nicht die Toilette teilen.

Mir war inzwischen klar geworden, dass mein Problem irgendwie etwas mit Angst zu tun hatte. Urologische Fachbücher aus der Bibliothek halfen nicht weiter, dort kannte man offensichtlich nur die Harnverhaltung älterer Männer. Ich bin dann auf die Idee gekommen, mich einfach an die angstauslösende Situation "zu gewöhnen", denn der Mensch gewöhnt sich schließlich an alles, sagte man damals. Es gab ja auch Menschen, die vor Spinnen Angst hatten und die man an diese Tierchen nach und nach gewöhnte.

Damals gab es noch kein Internet wo man Rat suchen konnte. Es gab nur Bücher, Zeitungen und das TV, welche aber darüber nichts berichteten. So auf mich allein gestellt, beschloss ich stark frequentierte Toiletten aufzusuchen und mich neben die zahlreichen anderen Männer ans Urinal zu stellen. Das war nicht nur sehr unangenehm, sondern auch zunächst nicht erfolgreich, die Ängste waren einfach zu stark. Ich habe dann mit verschiedenen "Presstechniken" experimentiert, bis es irgendwie funktionierte. Von einem entspannten Pinkeln am Urinal, wie ich es heute kenne, war ich noch weit entfernt, aber schon einen gewaltigen Schritt weiter.

Seit dem, habe ich mich mich intensiv mit der "Psychologie des nicht pinkeln könnens" beschäftigt und einige interessante Erkenntnisse gewonnen. Inzwischen kann ich meist entspannt am Urinal pinkeln, auch wenn andere Männer neben mir stehen. Allerdings gibt es immer noch Situationen, die mich überfordern: Nur zwei Urinale und eine Schlange wartender Männer hinter mir... :shock:
Jupp
Poweruser
Beiträge: 109
Registriert: 15. Januar 2011 22:51
Wohnort: NRW

Re: Gruß aus Hannover

Beitrag von Jupp »

Hallo FreeMind,
herzlich willkommen im Forum. Vieles von dem was du schreibst kommt mir bekannt vor. Auch ich brauchte immer den Schutz der Kabine, habe aber irgendwann angefangen, am Urinal zu pinkeln, wenn die Situationen wirklich sicher war. Später hat es dann manchmal auch neben Bekannten am Urinal geklappt, wenn ich eben wirklich starken Harndrang hatte. Aber meistens habe ich doch sicherheitshalber die Kabine benutzt. Versuche, mich der Situation am Urinal zu stellen, waren im Alleingang nicht sehr erfolgreich. Tatsächlich hat mir das Üben mit Peebuddys hier aus dem Forum letztendlich geholfen, die Hemmung am Urinal zu überwinden. Wobei es auch bei mir immer noch schwierige Situationen gibt; nur zwei Urinale, am besten dicht an dicht, und Warteschlange hinter mir sind tatsächlich nicht so einfach zu meistern...
FreeMind
User
Beiträge: 9
Registriert: 26. Mai 2025 21:02
Wohnort: Hannover

Re: Gruß aus Hannover

Beitrag von FreeMind »

Hallo Jupp,

ich bin zwar ohne Pee-Buddy weitergekommen, aber ich habe mich damals auch sehr intensiv damit beschäftigt und jemand, mit dem ich mich hätte persönlich austauschen können, wäre schon sehr hilfreich gewesen. Wie ich schon geschildert habe, gab es damals gar keine Informationen dazu und als Laie in Sachen Psychologie, war es schwierig das Problem richtig einzuordnen. Die Ursachen genau zu verstehen, war mir damals nicht möglich. Das Buch von Hammelstein ("Lass es laufen!"), wäre damals bestimmt eine Offenbarung gewesen.

Mit Pee-Buddy zu üben, ist bei Paruresis wohl die effizienteste Methode zum Abbau der unterbewussten Ängste, weil damit die angstauslösende Nähe anderer, gezielt gesteuert und über längere Zeit aufrechterhalten werden kann. Schade, dass so wenige, die Möglichkeit hier im Forum nach Übungspartnern zu suchen, nutzen. Es gäbe hier im Forum auch die Möglichkeit, Rat zu holen oder über Erfahrungen zu diskutieren.
BasicAlias
Newbie
Beiträge: 1
Registriert: 1. September 2025 07:59

Re: Gruß aus Hannover

Beitrag von BasicAlias »

Hi m! Danke fürs Teilen deiner Erfahrungen,
Kannst du etwas mehr darüber sagen, mit was für „Presstechniken“ du geübt hast und wie du es letztendlich allein geschafft hast, das Problem zu überwinden? Was hat dir am meisten geholfen?
Vielen Dank im Voraus!
FreeMind
User
Beiträge: 9
Registriert: 26. Mai 2025 21:02
Wohnort: Hannover

Re: Gruß aus Hannover

Beitrag von FreeMind »

Hallo BasicAlias,

gerne, aber zuvor möchte ich aber sagen, dass viele mit Paruresis einen einfachen Ausweg suchen. Ein Medikament oder z.B. die "breath-holding-method", sollen das Problem beseitigen. Wenn das so einfach wäre...

Ich will Dir aber trozdem meine Erfahrung nicht vorenthalten: Wenn man mit gut gefüllter Blase da steht und presst, passiert erst mal gar nichts. Ich habe in der Situation rumprobiert und (für mich) herausgefunden, dass es hilft, gleichzeitig den Bauch einzuziehen und die Zunge, oben am Gaumen anliegend, möglichst weit nach hinten zu ziehen und dort zu reiben. Dann versuchen, was rauszupressen. Vielleicht kannst Du den Effekt auch nachvollziehen. (???)

Um Paruresis wirklich loszuwerden, kommt es aber darauf an, sich in der Situation entspannt und sicher zu fühlen. Das kann man effektiv nur mit einem Pee-Buddy erlernen. Leider ringen sich nur sehr wenige mit "schüchterner Blase" zu diesem Schritt durch. Das ist sehr schade... :?

Edit: Was hat mir am meisten geholfen? Desensibilisierung durch Besuch von stark frequentierten Toiletten, die damals zur Verfügung standen. 8) Heute gibt es diese Möglichkeit nicht mehr in dem Maße und darum kann ich allen ernsthaft Interessierten nur raten, mit Pee-Buddy zu üben, auch wenn es schwierig ist einen zu finden.
Antworten