Bericht: stationaere Therapie bei Paruresis

Zum Eintragen positiver Erlebnisse und Fortschritten

Moderator: SimoneH

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eva
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Registriert: 21. Dezember 2015 20:00

Bericht: stationaere Therapie bei Paruresis

Beitrag von eva »

Hallo,

seit ungefähr fünfzehn Jahren begleitet mich die Paruresis, bis ich mich überwunden habe, eine stationäre Psychotherapie zu machen, von der ich Euch gerne berichten möchte. Ich bin zwar noch nicht völlig geheilt, aber ich mache Fortschritte, die ich vorher nicht für möglich gehalten habe.

Irgendwann hatte ich mir das Buch von Dr. Hammelstein gekauft, worüber ich dann auf die Christoph-Dornier-Klinik in Münster gestoßen bin. Damals wäre es mit der Finanzierung so gut wie unmöglich gewesen, weswegen ich das nicht in Angriff genommen habe.

Vor ca. fünf Jahren habe ich den Selbstkatheterismus gelernt, der viele Situationen möglich bzw. entschärft hat. Es war viel Arbeit und am Anfang ziemlich schmerzhaft, als ich es mir selbst beigebracht habe, aber es war erfolgreich. Mittlerweile gibt es auch sehr unauffällige Katheter, die so groß wie ein Lippenstift sind und gut in die Hosentasche passen. Dabei hatte ich die Katheter von Cloroplast, Speedycat und zusätzlich Octenisept zum Desinfizieren. Trotzdem hatte ich oft Blasenentzündung, da es auf öffentlichen Toiletten logischerweise nicht völlig steril ging.

Auf meiner Suche nach einer Therapie war ich nicht sonderlich erfolgreich. Entweder man kannte das Problem gar nicht oder man konnte mir keine weiteren Ansprechpartner nennen, die mit einer Verhaltenstherapie bei Paruresis Erfahrung haben. Als Versuchskaninchen wollte ich dann auch nicht dienen.
Vor zwei Jahren habe ich eine ambulante Therapie (analytisch) angefangen, die viel bringt, da ich aufgrund der Paruresis eine Depression und Schlafstörung entwickelt habe. Es hat viel gelöst bei mir, aber bezüglich der Paruresis gab es keine Verbesserung.

Ich wohne in Süddeutschland, weswegen ich mich erkundigt habe, ob hier was in der Nähe ist, habe aber nichts gefunden, weswegen ich fünf Wochen in die Klinik nach NRW bin.
In Münster gab es eine intensive Einzeltherapie und zusätzlich Gruppentherapien. Gewundert hat mich, dass ich die Einzige war, die Paruresis hatte.

Die erste Woche bestand aus Diagnostik.
Ich musste mir aufschreiben, welche Situationen für mich wie schwer sind und diese auf einer Skala sortieren. Dann haben wir geschaut, welche Übungen während der Therapie durchführbar sind (Flugzeugtoiletten scheiden da z.B. aus;-) ) und diese werden wieder nach Schwierigkeitsgrad geordnet.
Sinn davon ist, dass man von den leichten zu den schweren Situationen wechselt, sobald man die eine Stufe geschafft hat. Sobald man überfordert ist, geht man wieder eine Stufe zurück.
Die Übungen haben wir zuerst in der Klinik gemacht und später außerhalb. Dabei habe ich vorher in cafes, Restaurants, öffentlichen Toiletten ausgekundschaftet, welche Toiletten wie schwer sind. Natürlich kommen hier auch unkontrollierbare Faktoren wie Putzfrauen und andere Leute dazu.

Ein anderer Baustein war, dass ich meine präventiven Toilettengänge reduzieren musste. Da ich vorher immer bevor ich irgendwo hin gegangen bin, etliche Male noch zu Hause aufs Klo bin, kam ich auf ca. 15-20 Toilettengänge pro Tag.
Hier habe ich ein Miktionsprotokoll geführt und auch erfasst, wie dringend ich musste (auf einer Skala von 1 bis 10) und wie viel Urin kam. Letztlich "durfte" ich erst bei einer 7 überhaupt aufs Klo.

Zusätzlich hatte ich den Glaubenssatz, dass ich eine Kabine nicht zu lange blockieren darf und mich die Umgebungsgeräusche furchtbar nervös machten. Hier haben wir Trockenübungen durchgeführt. Ich habe mich ohne Harndrang auf die Toilette gesetzt und mich so gut es geht entspannt und so lange ausgehalten, wies ging, auch wenn jemand vor der Kabine gewartet hat.

Letztlich ging das Training relativ schnell voran und Erfolgserlebnisse habe ich mir aufgeschrieben und versuche auch, mich nochmal in diese Situationen hineinzuversetzen, um das Gefühl zu vergegenwärtigen. Dabei denke ich, dass die vielen schlimmen Erlebnisse von damals von den positiven Toilettengängen überschrieben werden. Im Endeffekt geht es darum, umzulernen und neue Verknüpfungen im Gehirn zu schaffen.

Ich habe gelernt, dass man für den Erfolg was tun muss. Früher dachte ich, dass die Paruresis irgendwann von selbst weggeht oder durch die Erleichterung mittels Katheter verschwindet, was nicht der Fall war.

In meinem Fall war die Verhaltenstherapie der richtige Weg.

Wenn jemand Fragen an mich hat, bitte stellen! Ich beantworte sie soweit möglich gerne.
sandrine
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Wohnort: Düsseldorf

Luftanhalten

Beitrag von sandrine »

Hallo Eva,
hast du bei deiner Therapie auch Luftanhalten probiert? Mich würde das sehr interessieren!
Wie übst du jetzt weiter? Bei mir ist das Problem, dass ich oft auch nicht kann, wenn niemand da ist und ich immer Angst habe, dass jeden Moment jemand kommen könnte. Wenn schon jemand da ist, ist es sowieso unmöglich.

lg
Sandrine
eva
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Registriert: 21. Dezember 2015 20:00

Luft anhalten

Beitrag von eva »

Hallo Sandrine,

ich hab das vor meiner Therapie öfters mal ausprobiert, weil davon auch in dem Leitfaden von Hammelstein die Rede war. Allerdings hatte ich damit keinen Erfolg und habe bald aufgegeben.
In der Therapie selber war das kein Thema mehr.

Ich kann immernoch in bestimmten Situationen nicht, v.a. wenn ich zusammen mit Freundinnen gehen muss oder es nur eine einzige Toilette mit einer Schlange davor gibt. So was verursacht immernoch Stress. Aber alle anderen Situationen gehen viel besser und ich bin auch sehr viel entspannter, lasse mir auch bewusst mehr Zeit in der Kabine. Sollen die anderen halt warten und wenns ihnen zu blöd ist, woanders hingehen. Diesen Egoismus nehme ich mir inzwischen raus.
Während der Therapie habe ich mir einen Briefumschlag angelegt und meine Erfolge auf kleinen Zetteln geschrieben und darin abgelegt. Das mach ich jetzt immernoch. Zudem kann ich mir immermal durchlesen und mich drüber freuen, was ich schon geschafft habe.

Ich habe gelernt, dass Geduld das Wichtigste dabei ist. :roll:
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