David gegen Goliath? Wohl eher nicht...

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Moderator: SimoneH

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Anonymous90
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Registriert: 5. März 2014 18:13

David gegen Goliath? Wohl eher nicht...

Beitrag von Anonymous90 »

Hallo zusammen,

ich habe vor einiger Zeit schon einmal einen Thread zum Thema Verhaltenstherapie und deren Kosten hier eröffnet. Damals stand ich noch ganz am Anfang meines Weges und wusste noch nicht so richtig, wie ich dieses (damals noch "übermächtige") Problem angehen sollte. Ich hatte mich noch keiner Person anvertraut, geschweige denn darüber nachgedacht mit jemanden darüber zu reden, da meine Scham mich daran hinderte. Das Einzige was ich wusste war, dass ich so nicht weiterleben wollte bzw. konnte. Es musste etwas passieren...

Der erste Schritt war mich über dieses Thema zu informieren. Also durchsuchte ich das Internet nach allem was ich finden konnte und stieß auf das Buch "Lass es laufen" von Philipp Hammelstein, welches ich sofort bestellte und auf der Stelle "verschlang". Nicht nur die Aufklärung über Paruresis an sich half mir damals, sondern auch der Gedanke, der darin vermittelt wurde, dass man nicht alleine ist, sondern noch sehr viele mehr mit diesem Problem zu kämpfen haben. Ich fühlte plötzlich Verbundenheit zu Anderen meiner Leidensgruppe. Aus diesem Grund suchte ich auch dieses Forum auf und las mir sehr viele eurer Einträge und Kommentare durch. Besonders die Erfolgserlebnisse halfen mir damals den nächsten Schritt vorzunehmen: Das Gespräch mit meiner Familie!!!

Ich muss sagen, dass die Tage vor dem Gespräch eine meiner Schlimmsten waren, da ich vorher noch nie mit ihnen über so etwas Intimes gesprochen hatte. Von morgens bis abends schwirrten mir nur Szenarien über den Verlauf des Gesprächs in meinen Kopf herum und ich fürchtete natürlich das Schlimmste. Was im Endeffekt allerdings völliger Quatsch war! Meine Familie zeigte mir zu 100% Verständnis und bestärkten mich in meinen Entschluss etwas zu unternehmen. Ich möchte euch mit diesen Zeilen keine Angst machen oder euch davor abschrecken mit jemanden darüber zu reden, sondern einfach nur zeigen, dass ihr noch so viel Angst davor haben könnt, im Nachhinein seid ihr überglücklich, dass ihr es getan habt. Klar kann man sich vor dem Ungewissen fürchten, aber woher weiß man denn, ob eure Entscheidung nicht die Richtige ist und es euch danach nicht besser geht? Genau, indem man es einfach macht!

Ich entschloss mich also mir Hilfe zu suchen und fand die Christopher-Dornier-Klinik in Münster, die sehr gute Bewertungen im Umgang mit Paruresis bekam. Kaum hatte ich den Eingangsbogen ausgefüllt und mich schon auf den Aufenthalt dort gefreut, wurde ich mit der harten Realität konfrontiert. Meine Krankenkasse konnte oder wollte keine Kosten dafür übernehmen und ich war mit der Bezahlung der Therapie im Endeffekt auf mich allein gestellt. Da ich allerdings nicht in der Lage war diese zu stemmen, entschloss ich mich gegen diese Therapie und fand nach weiterer Suche mit Hilfe dieses Forums die Heinrich-Heine Universität in Düsseldorf. Da mir die Homepage und Informationen zu deren Behandlung sofort gefielen, entschied ich mich für eine Verhaltenstherapie dort.

Kaum hatte ich den Fragebogen ausgefüllt, zurückgeschickt und das Erstgespräch absolviert, fing meine Therapie auch schon an. Die ersten 5 Einzelsitzungen bestanden quasi nur aus Gesprächen und Fragen rund um meine Problematik. Ich beantwortete so viele Fragen, dass ich mir schon fast wie in einem Verhör vorkam. Doch ich bemerkte schnell, dass mir die Fragen und das Sprechen über mein Problem dabei halfen besser mit der Situation umzugehen und diese zu verarbeiten.
Nachdem die Gespräche vorbei waren und mein Therapeut sich ein Bild über die Schwere meines Problems machen konnte, fingen wir mit den Übungen an. Ich muss zugeben, dass ich zwischenzeitlich wirklich zu kämpfen hatte und mich hinterfragte, ob diese Therapie mir wirklich helfen konnte. Denn manche Übungen, wie zum Beispiel am Urinal direkt neben jemanden zu pinkeln, sind mir unheimlich schwer gefallen. Doch je öfter ich mich diesen Situationen gestellt habe und Erfolge erleben konnte, desto einfacher ist mir das Wasserlassen auch gefallen. Mittlerweile kann ich behaupten, dass ich weitestgehend keine Probleme mehr auf öffentlichen Toiletten habe. Natürlich mache ich mir noch Gedanken vor den Toilettengängen und bemerke, dass ich eingeübte Verhaltensmuster, wie das Beobachten von Toilettentüren immer wieder zeige. Aber diese werde ich wahrscheinlich auch so schnell nicht los, da ich mir diese über Jahre angeeignet habe. Solange ich allerdings weiter Toiletten aufsuche und mich diesen Situationen stelle, desto schneller werde ich auch weitere Erfolge erzielen.

Ihr fragt euch jetzt bestimmt, was die Überschrift mit meiner Story zu tun hat. Naja, es ist ganz einfach. Das Problem Paruresis war für mich anfangs noch übermächtig und ich dachte, dass ich niemals damit fertig werde. So denken wahrscheinlich viele von euch. Aber ich kann euch nur versichern, dass das Problem nur so groß ist, wie ihr es selber macht. Klar ist dieses Problem nicht in ein paar Tagen oder Wochen verschwunden. Man muss sich nur dahinter klemmen und dagegen ankämpfen. Jeder Schritt den man auf dem Weg macht, ist ein Sieg gegen diesen noch so großen Gegner.

Ich hoffe, dass ich mit diesem Text einige von euch ermutigen kann sich aufzuraffen und gegen die Paruresis anzukämpfen. Stellt euch nur vor, wie euer Leben eines Tages ohne dieses Problem sein wird. Mir hilft es ungemein dabei, mich zu motivieren und weiter zu machen.

P.S: Auf diesem Weg möchte ich mich auch noch mal bei den Moderatoren, den anderen Mitgliedern dieses Forums und den Schöpfern dieser Homepage bedanken. Denn ohne euch stände ich heute wahrscheinlich nicht da, wo ich jetzt bin.

Vielen Dank

Euer Anonymous90
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