paruWER?!?

Zum Eintragen positiver Erlebnisse und Fortschritten

Moderator: SimoneH

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Moonwolf
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paruWER?!?

Beitrag von Moonwolf »

Sooo hier also meine kleine Geschichte zu dem Thema …
Heute kann ich sagen, dass ich es geschafft habe und eigentlich auf Toiletten mittlerweile deutlich wichtigeres Denke als ob es nun gehen könnte oder nicht. Aber wo fange ich an zu erzählen?
Also eigentlich habe ich schon seit kurz nach der Pubertät angefangen Pissoirs ehr zu meiden und lieber die Kabinen zu benutzen. Zu der Zeit habe ich damit eigentlich auch kein großes Problem gehabt. Wenn niemand da war, klappte es auch sehr gut an den Becken an der Wand. Aber ich habe ehr gedacht „okay, das ist ne Abneigung gegen Pissoirs – nichts mehr“ … tchja … ich glaub ich hatte da falsch gedacht … die Jahre gingen ins Land und die Situation blieb lange wie sie schon immer war: Unangenehm aber nicht panisch

Dann kam es vor ca 3 oder 4 Jahren … mit voller Wucht und über Nacht. Es ging sprichwörtlich gar nichts mehr. Nicht bei der Arbeit, nicht in der Kabine und schon gar nicht am Pissoir. Selbst Zuhause (Familienvater) ging es nur noch unter größten Anstrengungen. Man versucht los zu lassen und nix … dieses Gefühl der absoluten Hilflosigkeit war deutlich mehr als nur beängstigend. Zunächst dachte ich an eine körperliche Ursache da es wirklich über Nacht kam. Aber wie man sich ja schon denken kann, alle Untersuchungen (und es waren gründliche und viele) kamen zu dem gleichen Ergebnis: Alles bestens!

Insgeheim hatte ich mir aber doch lieber eine kleine körperliche Ursache gewünscht … ne Blasenentzündung oder irgendwas anderes ehr harmloses, aber nix. Jetzt fühlte ich mich erst recht aufgeschmissen. Jeden Tag von der Arbeit 2 mal nach Hause fahren um pinkeln zu können, so hatte ich mir das nun wirklich nicht vorgestellt. Und wie ja schon geschrieben, auch Zuhause „lief es“ alles andere als gut. Allerdings bemerkte ich recht schnell beim Radfahren durch die Pampa, dass in der Natur irgendwie alles gut war. Zwar hatte ich mir immer SEHR ruhige Stellen im Wald gesucht aber dennoch … auspacken, läuft. Spätestens jetzt war mir wirklich klar, im Oberstübchen ist was nicht richtig … paruresis?!? Kann man das essen?!? Nein Spaß beiseite, ich hatte nie gedacht, dass es für diese fiese kleine Störung einen Namen gibt. Zumal mir auch die Ärzte nichts dergleichen erzählt hatten. Ich wusste somit nur, dass ich ein Problem hatte und habe angefangen zu überlegen: Gab es eine Situation oder eine Begebenheit die mit Pinkeln zu tun hatte und so negativ war in meiner Vergangenheit? Nee, doch … warte mal … ganz dunkel … tatsächlich ist mir eine Eingefallen. Ich war vielleicht 6 oder 7 und wir waren auf dem Weg in den Urlaub 900 km in den Süden. Ich erinnere mich, dass ich dringend pinkeln musste. Also vorne Bescheid gegeben … aber irgendwie hatten wir nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit immer noch nicht angehalten. Also nochmal Bescheid gesagt, dass es wirklich, wirklich dringend wird. Nach weiteren mittlerweile schmerzhaften Minuten endlich ein Rastplatz. Offensichtlich war mein Vatter nicht gerade in bester Laune und gereizt. Ich stieg aus und stellte mich hin … aber nix … ich war von dauernden „Anhalten“ so verspannt, das musste sich erst mal lösen. Für meinen Vatter offensichtlich eine zu lange Zeit, denn schon ging der Motor wieder an und die Frage kam gebrüllt: „Wie lange man den für sowas wohl brauchen könnte“ … Erinnerung Ende … irgendwann lief es, so weit bin ich sicher.

Irgendwie schien mir mit einmal alles zumindest theoretisch nachvollziehbar auch wenn mir bis heute nicht klar ist, warum genau zu der Zeit aber egal es war wie es war. Gleichzeitig hatte ich eine sehr gute Erklärung gefunden, warum es mir schon immer unter Zeitdruck schwerer gefallen war und warum ich grundsätzlich nie wirklich pinkeln könnte wenn andere dafür auf mich warteten. Als Beispiele fallen mir da Partys ein mit nur einer Toilette oder auch die ständig überfüllten WC Wagen wo auch immer Leute darauf warten als nächstes dran zu kommen.
Zumindest im Wald war alles gut. Hier lief alles wie geschmiert. Überall anders war Fehlanzeige. Ich machte mich daran kontinuierlich weniger weit in den Wald zu gehen und suchte nach Stellen wo ich war geschützt war aber immer noch die Gefahr bestand durch einen dummen Zufall gesehen zu werden. Irgendwann befand ich mich tatsächlich wieder direkt am Waldweg und es klappte immer noch. So dachte ich mir, bis hierher schon mal gut aber der Schwierigkeitsgrad muss noch deutlich steigen. Somit habe ich den Wald verlassen und es mit normalen Feldwegen hinter dem Auto versteckt versucht. Anfänglich mit mäßigem Erfolg aber schon bald war auch das möglich. In der Nähe zu unserer Siedlung gibt es viele geteerte Feldwege. Einer dieser Feldwege hat eine von oben gesehen beinahe unsichtbare Brücke. Darunter verläuft ein Bach der aber fast immer trocken ist im Sommer. Dieser Feldweg ist recht beliebt bei Spaziergängern und genau unter dieser Brücke, gut geschützt vor Blicken habe ich trainiert auch dann pinkeln zu können wenn oben über die Straße Leute gingen und ich diese hören konnte. Am Anfang beinahe unmöglich … später ging auch das. Die Situation Zuhause versuchte ich durch reine Entspannung in den Griff zu bekommen. Hier war meist keiner der gleichzeitig musste und so hatte ich hier viel Zeit. Hin und wieder habe ich meine Frau gebeten doch einfach mal rein zu kommen um die Situation zu erschweren. Langsam aber sicher stellte sich so deutliche Besserung ein und mit einem Mal klappte es wieder auf der Arbeit in Kabinen. Leider war ich von Pissoirs immer noch weit entfernt. Ich beschloss aber auch diese an zu gehen und zwar dank Überstunden. Wenn die Abteilung bis auf eine Person leer war, wer sollte da schon auf die Toilette kommen? Und ja der Plan ging auf … wenn niemand mehr kommen konnte funktionierte das schon ganz gut. Hier kam dann ein sehr guter Freund zum Tragen. Am Rande hatte er das schon mitbekommen aber jetzt hatte ich Ihn gefragt ob wir mal einen drauf machen und es dann so halten wie die Frauen und zusammen die Toilette aufsuchen. Nun der Abend war anstrengend und die ersten Male ging da nichts. Aber in den frühen Morgenstunden die ersten zögerlichen Erfolge. Davon angestachelt habe ich kontinuierlich versucht den Schwierigkeitsgrad zu steigern.

Nun ja was soll ich sagen … heute stört es mich nicht mehr ob da einer, zwei oder zwanzig auf der Toilette stehen (sofern genug Pissoirs da sind versteht sich ;-) ) Und selbst bei starkem Zeitdruck wodurch auch immer, habe ich nun die Gelassenheit einfach los zu lassen. Ich denke es ist eine Mischung aus kleinen und kleinsten Erfolgen und der inneren Einstellung diese auch als Erfolge zu sehen. Dazu immer weiter den persönlichen Schwierigkeitsgrad steigern und irgendwann bricht alles wie ein Kartenhaus in sich zusammen, wenn der berühmte „Klick“ kommt. Ich denke heute nicht mehr daran … es ist für jetzt nur noch eine Toilette zu der man geht um sich zu erleichtern und mehr ist es auch nicht.

Ja zu guter Letzt sei gesagt ich helfe gerne Jedem der im oder um den Kreis Soest an paruresis leidet. Sei es durch Gespräche oder Übungen oder was auch immer. Einfach eine PM an mich.
Liebe Grüße
Heribert Hansen
Poweruser
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Beitrag von Heribert Hansen »

Schöne Geschichte, und was sie am deutlichsten zeigt, nie aufgeben, nicht entmutigt in die Ecke setzen, sondern dranbleiben. Und sie zeigt, Konfrontationstherapie nutzt.
Weiter viel Erfolg!!
Wer nicht pinkeln kann hat keinen Makel.
Wir hoffen immer, und in allen Dingen ist besser hoffen als verzweifeln.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832),
Pinkelphobiker
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Danke

Beitrag von Pinkelphobiker »

Danke für die schöne Story, sehr lustig geschrieben, insbesondere die Stelle mit deinem Vater, musste laut lachen, wobei es natürlich alles andere als lustig ist... Auf jeden Fall macht es Mut, denn du hattest ja schon ein recht fortgeschrittene Form von Paruresis...
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Tinkerbell
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Beitrag von Tinkerbell »

Tolle Geschichte :D Sehr motivierend!
Ich bewundere deine Zielstrebigkeit und deinen Mut =)
Darf ich fragen wie lange du die Paruresis hattest? Bzw. nach welcher Zeit du angefangen hast daran zu arbeiten?
"Just because you're paranoid
Doesn’t mean they're not after you."

(Territorial Pissings, Nirvana)
Mona
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Beitrag von Mona »

Deine Geschichte macht Mut! Danke, dass du uns diese persönliche Erzählung so bildhaft geschildert hast.
Einfach nicht aufgeben, lautet auch meine Devise und wenn ich all die Erfolgstories lese hier im Forum bin ich guten Mutes dass es eines Tages klappt!
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